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Montag, 14. Juli 2014

Erster!

Gestern Abend wurde gefeiert -WIR SIND WELTMEISTER!

Es war ein harter Kampf  - Schweinsteiger lief blutend über den Platz,  andere humpelten mit Krämpfen durch die Verlängerung und auch in unserem Wohnzimmer wurde mitgelitten und mitgekämpft. 
 Ich habe Berge von Knabberzeug verschlungen, so lange bis mir schlecht wurde - jeder muss halt das geben was er kann.
 Am Ende sind wir verdient Erster geworden, oder?

ERSTER!!! Das ist auch eins der Lieblingswörter des kleinen Sohnes (knapp hinter den Wörter "NEIN!" und "WARUM?")

Schon früh am Morgen beginnt sein Wettkampftag. Er läuft zum Frühstückstisch und ruft: "Erster, Mama!" (was angesichts meiner morgendlichen Leistungsfähigkeit, nichts besonderes ist).
Und so geht es den ganzen Tag weiter: Auf der Rutsche, beim Aussteigen aus dem Auto, beim Essen...immer wieder ertönt der freudige Ruf: "ERSTER!"

Nun ist das bei Kindern ja ganz normal (hoffe ich zumindest) und ich finde es auch bewundernswert wenn Sportler ihre Höchstleistungen bringen und dann Erster werden.

Aber wer mich kennt und meinen Blog regelmässig liest, weiß, dass mich die Menschen oft mehr beeindrucken die trotz mangelnder Erfolge, bereit sind weiterzumachen und ihr Bestes zu geben - auch wenn sie wahrscheinlich niemals irgendwo Erster sein werden.

Und trotzdem, als Mutter möchte ich das Beste für mein Kind und wünsche mir, dass sein Leben gelingt. Ich möchte für Samu zwar nicht, dass er überall Erster wird, aber ich hoffe doch sehr, dass er nicht benachteiligt wird oder am Rand steht.

Vor einigen Tage habe ich den Bericht einer Mutter gelesen, den ich einfach nicht vergessen kann. Sie lebt in Amerika und schreibt, dass sie sich für ihre Kinder wünscht, dass sie nicht so priviligiert aufwachsen oder zumindest dankbar begreifen, dass sie priviligiert sind.

Deshalb hat sie sich dazu entschlossen, ihre Tochter nicht in der preisgekrönten Montessori-Schule um die Ecke einzuschulen, sondern in einer spanisch sprechenden Schule, am anderen Ende der Stadt (ihre Tochter spricht kein Spanisch!).

Sie schreibt folgendes:
"Meine Tochter weiß das jetzt noch nicht, aber der Hauptgrund warum wir sie in diese Grundschule schicken ist nicht damit sie Mathematik lernt und auch nicht um zweispachig aufzuwachsen.
Wir schicken sie an diese Schule damit sie das Leben "der Anderen" versteht und weil  durch die Erfahrung, selbst nicht verstanden zu werden, Mitgefühl entsteht."

Ich schwanke zwischen Bewunderung für diese mutige Entscheidung und Sorgen für das Kind, das es sicher dort erstmal sehr schwer haben wird. Es liegt mir fern, das irgendwie zu beurteilen, aber es hat mich auf jeden Fall nachdenklich gemacht.

Ja, ich will das Beste für meinen Sohn. Aber was ist "das Beste" für unsere Kinder?

Bei einer Umfrage eines Elternmagazins haben die meisten Eltern auf die Frage: 
"Was wünsche sie sich für ihr Kind?" geantwortet: 
"Gute Förderung und Durchsetzungsfähigkeit." 

Das scheint ein Konsens in unserer Gesellschaft zu sein.
Aber ist es wirklich das Wichtigste für unsere Kinder?
Doch, ich finde es auch hilfreich, wenn ein Kind sich durchsetzten kann (da habe ich bei meinem Sohn allerdings keine Bedenken!), aber mir geht wie dieser Mutter in Amerika: Ich möchte so gerne dass Samu Mitgefühl für andere lernt  und es nicht das Wichtigste für ihn wird, immer Erster zu sein.

Ich wünsch mir, dass er sich nicht immer mit den Kindern vergleicht die viel mehr haben als er, sondern dass er begreift, dass wir sehr priviligiert sind und die meisten Menschen viel weniger haben als wir. 

wir schauen immer zuammen die Briefe von unserem Patenkind aus Unganda an und ich erzähle ihm ein bisschen davon wie der kleine Junge in Afrika lebt.


Ich möchte gerne, dass er mit Kindern verschiedener Kulturen Kontakt hat und andere Denk- und Lebensweisen verstehen lernt - da bin ich sehr dankbar für unsere KiTa, in der die deutschen Kinder eine Minderheit sind.



Sommerfest am Samstag

Ich möchte, dass er benachteiligte und schwache Menschen wahrnimmt und sich nicht in ihrer Nähe unwohl fühlt. Letzte Woche war er mit mir im Behindertenheim und es hat mich so gefreut, dass er seine anfängliche Scheu vor den Kindern abgelegt hat und fröhlich mit seinem Bobby-car  zwischen den Rollstühlen hin und her gefahren ist und mit den Kindern zusammen Spaß hatte.
 
Natürlich werde ich mich freuen, sollte Samu jemals einen Pokal in die Höhe strecken.
Aber ich sage euch wann ich richtig stolz auf meinen Sohn sein werde:
Wenn er Menschen wahrnimmt die es nicht so gut haben wie wir. Wenn er jemand am Rande stehen sieht der sich nicht dazugehörg fühlt -wegen seiner Hautfarbe oder seinen Einschränkungen oder einfach weil er "anders" ist - und wenn er auf diesen Menschen voller Mitgefühl zugeht und freudig  "ERSTER!" ruft, wenn er bei ihm ankommt.

Wie kann ich das erreichen?
Fröbel sagte: Erziehung ist Vorbild und Liebe -sonst nichts.
 (Diesen Gedanken finde ich manchmal beruhigend, manchmal versetzt er mich auch in leichte Panik!)


Also Vorbild sein. 
Nicht über unsere kleine Wohnung jammern, sondern mir bewusst machen, dass wir sehr priviligiert sind. Dankbar leben. Nicht Anerkennung bei den "wichtigen Leuten" suchen, sondern denen etwas Gutes tun, die nicht viel zurückgeben können. Mitgefühl zeigen. Lieben anstatt verurteilen.
Ganz oft schaffe ich das nicht. Aber ich will es lernen.
Und ich weiß: der Sohn beobachtet mich aufmerksam dabei.

Und wenn man gesehen hat wie Schweinsteiger Dante nach dem Spiel gegen Brasilien getröstet hat, dann zeigt mir das, dass beides möglich ist: Erfolgreich sein und Mitgefühl für die Verlierer haben.

Das ist dann wirklich etwas ganz besonderes. 

Weltmeisterlich eben.


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