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Mittwoch, 6. Oktober 2021

Blätter sammeln

Mit kindlichem Vergnügen stürze ich mich jeden Herbst darauf: Ich sammle Blätter! Gestern habe ich mehrfach einen kleinen Auffahrunfall mit dem Fahrrad riskiert, weil ich auf dem Radweg ständig abrupt bremsen musste. So viele schöne bunte Herbstblätter am Wegrand! Keine Ahnung was ich damit machen will, aber ich stopfe mir meine Jackentaschen damit voll und bring sie mit nach Hause. Ich finde sie müssen einfach bestaunt und gesammel werden! Die Schönheit des Vergänglichen. Keine Jahreszeit ist besser dafür geeignet diese Schönheit zu betrachten als der Herbst. Die letzten Abende, an denen es nun schon so früh gemütlich wird, habe ich mich ,gemeinsam mit Samuel, durch alte Fotospeicherkarten geklickt (manche Leute ärgern sich weil sie keine Fotoalben sondern nur digitale Ordner haben - ich schaffe es nicht mal alle meine Fotos auf den Computer zu ziehen!). Wir betrachten also die Bilder. Darauf vor allem das Kind in seinen ersten Jahren: Samuel beim Babyschwimmen, Samuel beim ersten Breiessen, Samuel am Strand in Holland, Samuel an der Hand von Oma im Schwarzwald, Samuel beim Geschenken auspacken unterm Weihnachtsbaum.... Ab und zu sieht man das müde grinsende Gesicht eines Elternteils daneben. "Weißt du noch?" Rufe ich immer wieder, ähnlich glücklich grinsend  - nur mit viel mehr Lachfalten im Gesicht! Das Kind ruft bei jedem Bild begeistert "JA!", aber ich habe doch meine Zweifel ob er sich an den Besuch von seinem Opa auf der Geburtsstation erinnern kann. Ich werde ein bisschen wehmütig. Wie schnell doch diese besondere Zeit vergangen ist! Und gleichzeitig bin ich auch dankbar, dass das Kind heute länger als eine Stunde am Stück schlafen kann, alleine duschen geht und ich nicht mehr nach einem Satz den Faden verliere, weil ich vergessen habe was ich sagen wollte (oder weil das Kind mir in den Ausschnitt spuckt). Manchmal macht der Rückblick nicht nur dankbar für das was war, sondern auch für das was geworden ist! Und auch das will ich in diesem Herbst betrachten, wenn möglich mit einer Tasse Tee in der Hand:

Den warmen Ofen an den wir uns setzen können

Den roten Schulbus der sich langsam um die enge Kurve windet und das große Schulkind an Bord hat

Den hochgewachsenen Kastanienbaum an der Straße (samtige Kastanien sind neben bunten Blättern auch ein Grund zum in die Knie gehen!)

Bücher, die in diesem Jahr erschienen sind und wunderbare Geschichten erzählen

"Wer weiß denn sowas?" am frühen Abend im Fernseher anschauen, eingekuschelt auf dem Sofa, mit meinen zwei Lieblingsmenschen

warmes Kerzenlicht  und bunte Herbststräuße

die letzte Gartenernte und Kürbissuppe und Apfelmus daraus machen

Und in ein paar Jahren betrachten wir unser Heute auf der Fotokarte und ich sage lächelnd (und vielleicht auch nur zu mir selbst und mit noch viel mehr Runzeln im Gesicht!): "Weißt du noch?". Und ich will dankbar sein für alles was war und für das was geworden ist.  Die Schönheit des Vergänglichen; Jahr für Jahr will ich sie weiter sammeln und am Ende der Reise voller Freude mit nach Hause bringen, wie bunte Herbstblätter und Kastanien in der Jackentasche.

 



Ich liebe den hohen Herbsthimmel !

frisch "geerntet": zwei wunderbare Bücher von zwei tollen Frauen!


Sonjas Buch weckt in mir Sehnsucht mehr hinzuhören- auf unvergängliches!

1 Kommentar:

  1. Während ich das lese, ist mir ganz schwindelig vor Schlafmangel und Müdigkeit, aber du hast so recht. Ich will dankbar und nicht frustriert sein über das Hier und Jetzt und trotz dem anstrengenden Alltag die Schönheit des Herbstes wahr nehmen. Viele liebe Grüße

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