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Donnerstag, 8. Oktober 2020

Unser Garten und das wilde Leben

Hier kommt ein kleines Geständnis: Ich hätte so gerne einen gepflegten, aufgeräumten Garten. Aber wir bekommen es einfach nicht hin.
Unsere Wohnung hab ich irgendwie im Griff. Zumindest rede ich mir das ein. Einmal die Woche durchgeputzt. Die restlichen Tage abends oberflächlich sauber gemacht. Passt. Der Garten dagegen ist viel komplizierter. Kaum drehe ich den Blumenbeeten den Rücken zu,  wuchert schon wieder der Löwenzahn, kleine Ahornbäume wachsen mit schwindelerregender Geschwindigkeit aus dem Boden und fleissige Gartenbewohner Graben ihre Gänge. Auch der neunjährige Sohn gräbt seit einigen Wochen. Ein Loch. Mit begeisterter Unterstützung sämtlicher Freunde. Was anfangs als kleiner Aushub für unsere Tannenbaum gedacht war, wurde zwischenzeitlich zu einem Sandkasten-Projekt und dann zu einem "Ich-grabe-mindestens-zwei-Meter-tief"-Vorhaben. Mitten im Weg! Heio überlegt nun, das immer tiefer werdende Matschloch als Kühllager für Äpfel zu nutzen (vergebliche Suche an dieser Stelle nach dem Hände-überm-Kopf-zusammenschlag-Zeichen). Die Tischtennisplatte müsste weggeräumt, der Zaun verbessert und unsere Laube aufgeräumt werden. Letzteres versuche ich auch alle paar Wochen, aber meist sieht es schon wenige Stunden später wieder wie in einer Werkstatt aus. Heio baut nämlich an einer Überdachung für unser Brennholz. Eins seiner vielen Projekte, das hoffentlich vor seinem Renteneintritt fertig wird. Es gibt ja noch so viel anderes zu tun! Trauben ernten. Holz hacken. Den Walnussbaum zurückschneiden. Diesen Baum nennen wir jetzt liebevoll unseren "Punk-Baum". Weil wir nur an die seitlichen Äste kommen  hat er jetzt eine etwas ungewöhnlich, steil nach oben verlaufende Form. Die Nachbarn staunen und versichern uns, dass der Vorbesitzer den Baum immer wunderbar zurückgeschnitten hat. Heio beruhigt mich: Wenn er das Baumhaus gebaut hat (auch ein anstehendes Projekt) kommt er auch an die oberen Äste. Ihr seht: Der Garten ist eine Dauerbaustelle bei uns. Und manchmal, wenn ich mich auf unsere Hollywoodschaukel setze, dann verschwindet meine Dankbarkeit für dieses wunderbare Stück Erde weil mich der Stress überrollt über alles, was hier zu tun ist. Anstatt den Garten zu genießen mache ich dann innere To-do-Listen, die ich Heio vorlege. Besonders gern in den Momenten, in denen er mit einem Feierabendbier entspannt in seinem Chaos sitzt und sich einfach am Anblick des Gartens freut. 
 
Wenn ich das jetzt alles so aufschreibe dann wird mir bewusst: Was mir in unserem Garten dazwischenkommt ist: Das Leben! Und ich hätte es so gerne wie meine Wohnung:  Einmal richtig aufgeräumt und gut ist. Aber das  Leben wächst und wuchert, man muss andauernd etwas zurückschneiden, oft mit kläglichem Ergebnis, man stolpert über Projekte die man schon längst abschließen wollte und die Beziehungen sind alles andere als sauber gepflegte Beete. Und ganz oft versinkt meine Dankbarkeit für dieses wunderbare Leben in den Aufgaben die ich erledigen und Erwartungen die ich erfüllen möchte. Dann lasse ich  mich stressen und schimpfe über meine Dauerbaustellen und über meine Lieblingsmenschen, die noch mehr zu dem Chaos beitragen, anstatt mir zu helfen es zu beseitigen.

Über dem Spiegel auf unserem Klo hing lange Zeit eine Postkarte auf der stand:
Das Leben ist keine Aufgabe, die wir erledigen müssen.
Es ist ein Geschenk, an dem wir teilhaben dürfen.
Ich weiß leider nicht mehr wer das gesagt hat, aber es war ein kluger Mensch. Es ist ein Satz den wir getriebene und gestresste Menschen so lange über den Spiegel hängen sollten, bis er uns ins Herz gesunken ist. Ich brauche diese Erinnerung, dass das Leben vor allem ein Geschenk ist! Es ist wie ein wunderbares Stück Erde, das ich bewohnen und gestalten und pflegen darf, wo immer alles am Werden ist, und auf dem man nicht erst die Hacke zur Seite legen darf wenn alles fertig ist - was niemals  passieren wird! - sondern wenn es Zeit für ein Feierabendbier wird! Das alles ist für mich richtig, richtig schwer. Und deshalb hole ich mir Hilfe, vom Gärtner aller Gärtner, und von meinem Lebensgeber:

Gott, ich bitte dich: Hilf mir unseren Garten und die Menschen darin und das ganze Leben als das Geschenk zu sehen, das es ist. Hilf mir mein Stück Land so gut es geht zu gestalten und zu pflegen. Und schenk mir die nötige Gelassenheit, die dieses wilde Leben braucht. Hilf mir nicht alles JETZT erledigen zu wollen. Schenk mir den langen Atem, für die vielen Jahreszeiten die noch vor mir liegen. Hilf mir Pausen zu machen und mittendrin, in allem unfertigen, das Leben zu feiern. Ich danke dir. Für unseren Garten. Und für dieses wilde, wunderbare Leben. Amen.

 






 

7 Kommentare:

  1. Wie cool! Ich hatte lange Zeit eine ganz ähnliche Karte auf meinem Notizbuch kleben.

    Das Leben ist kein Problem, das gelöst werden muss, sondern ein Abenteuer, das gelebt werden will. (John Eldredge)

    Scheint, als müssten wir da immer wieder dran erinnert werden, dass das Leben Geschenk und Abenteuer ist. Mit dem Garten geht es mir nämlich wie dir. Tausend Aufgaben und neue Projekte die man fertig kriegen will... Eigentlich verrückt, denn ich finde die wilden und bisschen chaotischen Gärten sind doch die schönsten, denn da gibt es immer was zu entdecken und ganz viel Platz für Abenteuer :)

    Mittendrin, in allem unfertigen, das wilde wunderbare Leben feiern! Was für ein schöner Satz Christina, ich glaube den klebe ich mir auf mein neues Notizbuch ;)

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    1. Danke für diese schöne Ergänzung, liebe Anne! Und du hast so recht: wie wilden Gärten haben etwas besonderes und abenteuerliches (und bei uns kann man wirklich sehr viel entdecken :-)). Schick Dir liebste Grüße zurück! Kraft Freude und Segen für dein wildes Leben!!!

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  2. Liebe Christina,
    vielen Dank für das Teilhaben lassen in deinem wunderschönen Chaos. Du hast völlig recht, wir sollten uns mehr Pausen gönnen und auch das schöne in einem unaufgeräumten Garten sehen. Mir geht es auch oft so. Da räume ich auf, drehe mich um und schon sind wieder alle Spielsachen auf dem Boden. Ja zum Glück haben wir Jesus, der unsere Herzen wieder ruhig werden lässt und unsren Fokus zurecht rückt!
    Danke dass du uns mit deinen Texten auch immer wieder daran erinnerst, dass wir Ihn haben und nicht perfekt sein müssen!
    Gesegneten Sonntag euch dreien, von uns fünf aus dem Schurwald����

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    1. Oh liebe Doro, wie schön von dir zu lesen! ICh winke zurück zu euch und wünsche Dir ganz viel Segen und kraft für euren turbulenten wunderbaren ALltag! (und du hast etwas herrlich entspanntes, was anderen so gut tut!!!)

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  3. Liebe Christina,
    jetzt melde ich mich noch verspätet auf deinen tollen blog Beitrag. Es trifft so genau meine Lebenssituation ��immer überall zu sehen was noch zu tun ist,statt das Leben im jetzt zu genießen. Mein Mann erkennt das viel besser und stoppt mich immer wieder. Das war den ganzen Sommer lang unser Thema. Vielen Dank für die tolle Zusammenfassung und das passend an meinem Geburtstag. Ganz herzliche Grüße Kerstin

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    1. Oh dann alles, alles Gute liebe Kerstin zu Deinem Geburtstag! viel Segen von Jesus!!! Freude an allem was dir im neuen Lebensjahr unter die Hände kommt und viel Gelassenheit für alles was liegenbleibt:-).
      Liebste Grüße zu Dir!!!

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  4. Oh wow... dieser Beitrag hätte 1:1 von mir kommen können... sogar den elenden riesigen Walnussbaum hab ich im Garten (mit seinen 5 Milliarden Blättern die ab September runterkommen und seinen 6 Milliarden Nüssen die mir schon zig mal aufs Hirn geflogen sind)

    und ein paar mal im Jahr hab ich solche Ausraster wo ich nun augenblicklich den Garten meiner Nachbarn kopiert haben will.... hach der ist so schön ... (die haben den ganzen Sommer gebaggert und nun steht da eine Sauna... ein Pavillon mit Lichterketten... diverse Hollywoodschaukeln .. ein Pizzaofen(!!!) Und was weiss ich alles... gepflegt und ordentlich mit Blumen und co)
    Und ich gucke meine Verwüstung an ... - sage mir immer wieder: Unkraut sind auch Blumen ... und werde frustriert weil ich es zeitlich .. finanziell und alles andere was man dazu noch braucht (Gärtner wäre gut.. ;) ) sowieso niemals hinkriege...


    Uuuund dann: kommt der Moment wo ich mich erinnere ...

    ... als wir das Haus kauften..und ich weiss noch wie ich das 1. Mal im Garten stand..über diese 1000 m2 schaute... mir die Hühner und Kaninchen vorstellte.. die Hunde die im Garten tobten.. unsere Söhne im Sandkasten sitzen .. ich heulte fast vor Glückseligkeit... Diesen Garten will Gott mir schenken ?!?!?! Womit hab ich das verdient ...

    Und ich weiss noch ... ich kaufte mir zuallererst eine Hängematte..spannte sie zwischen 2 Apfelbäumen .. legte mich rein und konnte glücklicher nicht sein :)

    Sch*** auf Nachbars Angeber Garten. Braucht kein Mensch dieses Gedöns :) in der Zufriedenheit und Dankbarkeit liegt das wahre Glück ge :D und mal ehrlich .. ein Pizzaofen?!????

    Liebste Grüße Janina

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