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Mittwoch, 23. September 2020

Wie geht es Dir?

Am Montag war ich auf einer schönen Geburtstagsfeier. Wir haben uns im Garten getroffen, die Stühle waren mit Abstand gestellt und die Freunde, die ich schon länger nicht gesehen habe und denen ich am liebsten um den Hals gefallen wäre, habe ich mit einem Ellenbogen-Check begrüßt. So wie man das macht in diesen Tagen. Ganz zu Recht,wie ich finde. Angesichts weiter steigenden Infektionszahlen, angesichts gefährderter Menschen in meinem Unfeld und einfach auch deshalb weil wir BITTE NICHT SCHON WIEDER in Quarantäne möchten! Also nahm ich, mit angemessenen Abstand, neben den Freunden Platz und nach ein bisschen Smalltalk und interessiertem Nachfragen meinerseits, kam die gefürchtete Frage auf mich zu: "Wie geht es dir denn?" Gefürchtet deshalb, weil ich das oft gar nicht so genau weiß. Meistens ist so ein Durcheinander an Befindlichkeiten in mir, dass es sich anfühlt als würde ich mit der Antwort mitten in einen überladenen Wühltisch greifen und irgendwas herausziehen, was dann etwas armselig in der Luft hängt, bevor ich es schnell wieder unter den Berg der vielen anderen Dinge verschwinden lasse. Dieses Mal antwortete ich erstmal: "Ach, uns geht es gut!" , bevor ich aus der Tiefe meines Herzens den Satz zog: "Aber ich fühle mich gerade auch sehr müde!"  
Müde.  
Das scheint gerade der Restposten der Saison zu sein. Ich spüre es nicht nur bei mir, sondern auch in den Worten der anderen. Ich sehe es in den Augen der Mutter, die hofft, dass ihr Kind an der neuen Schule zurechtkommt und auch unter dem Mundschutz von der Lehrerin gesehen wird. Ich sehe es an Lehrerin, die versucht, unter erschwerten Bedingungen, ihr Bestes zu geben und doch weiß, dass eben erstmal alles schwierig bleiben wird. Ich spüre es bei meiner Autorenkollegin, wenn wir über unsere abgesagte Lesungen reden und darüber wie wir den finaziellen Verlust ausgleichen können.  
Nein, ich will hier nicht jammern. Ich sehe sehr wohl mit wie vielem wir in unserem Land beschenkt sind!  Auf dem Wühltisch meines Herzen liegt auch die Dankbarkeit und ich greife jeden Morgen ganz bewusst nach ihr. Und ich will auch nicht vergessen das Mitleiden und das Beten nach oben zu holen, für die Menschen, die gerade in irgendeinem Flüchtlingslager dieser Welt sitzen, für die Mütter die ihre Kinder heute Abend nicht in ein weiches Bett legen können und ihnen bei Gute-Nacht-Kuss versichern können, dass morgen alles besser wird. Doch, ich weiß wie priviligiert ich  bin. Aber auch der Gedanke macht mich irgendwie müde, weil ich denke ich müsste doch viel mehr TUN und schaffe es nicht. Ich würde gerne losgehen und die Welt retten, aber ich weiß nicht was ich anziehen soll. Wenn ihr wisst was ich meine.  
Was ich weiß: Es ist schlecht die Müdigkeit auf Dauer zu ignorieren. Dann fängt sie an zu gammeln und komisch zu riechen und explodiert am Frühstückstisch, wenn man nur ein bisschen an ihr rüttelt (genau so heute morgen passiert!). Also will ich sie nicht wegdrücken, sondern sie immer mal wieder bewusst anschauen. Und sei es, dass ich einfach einen kleinen Blogartikel darüber schreibe
Hallo mein Herz, da ist ja ganz schön viel Müdigkeit in dir drin. Und wenn wir mal ehrlich sind: Das ist ja auch kein Wunder! Weißt du was: Heute darfst du ein bisschen müde sein. Wir lassen mal ein paar Dinge liegen und gehen nach draußen - das tut dir doch so gut, das habe ich fast vergesen! Wir klauen uns ein halbes Stündchen Alltag und setzen uns ins weiche Gras und sind faulig (wie es Samuel immer so schön ausdrückt). 
So sitze ich also unterm Apfelbaum. Mit meinem müden Herz. Über mir rauschen die Blätter und von irgendwoher weht die leise, liebevolle Frage: Mein Kind, wie geht es Dir? Und ich schiebe einfach den ganzen Wühltisch in Gottes Richtung und lasse ihn ein bisschen sortieren während ich gar nichts tue außer mich in seine weiche, wissende Mutterliebe zu legen und nebenher ein paar Ameisen von den Beinen zu schnippen. Und dann trotten wir wieder zusammen Richtung Alltag. An einer Hand die Müdigkeit, an der anderen die Dankbarkeit. Und ein bisschen Frieden ist jetzt auch dabei.

So geht es mir. 

Und wie geht es Dir? 


14 Kommentare:

  1. Unglaublich was du mit Worten alles anstellen - und bei mir bewirken- kannst!
    Vom Alltag gehetzt bin ich jedes mal dankbar, dass ich mir die Zeit nehme und deine Einträge lese. Sie führen mich zurück zun Wesentlichen und sensibilisieren mich für mein eigenes Inneres.
    Du schreibst einfach wunderbar und all zu oft denk ich mir dabei:" Ja, genau das fühle ich auch." Ich hätte es nur nie in Worte fassen können.

    Fühl dich herzlich umarmt, Sarah

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    1. Ach liebe Sarah - von Herzen DANKE für deine Worte und dass du dir die Zeit nimmst meine zu lesen! Ich umarme dich ganz herzlich zurück!!!

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  2. Liebe Christina! Oh du sprichst mir aus der Seele! Mir geht es nicht schlecht, aber ich bin müde, k.o., geschafft. Mir gefällt Samuels Wortschöpfung vom "faulig" sein sehr - und ich glaube wenn wir uns so fühlen ist die Zeit einfach überreif für eine gnädige Pause... - ich werde gleich mein Gesicht in die sonnige Gottesliebe strecken und dem tröstenden Wind lauschen! Und wenn es nur 10 Minuten sind...

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    1. Genau das: "Uberreif für eine gnädige Pause!" Ich danke Dir für Deine weisen Worte und ich wünsche uns immer wieder diese 10 Minuten im Alltag in denen wir uns, so müde wie wir sind, einfach liebhaben lassen. Sei herzlich gegrüßt und gesegnet!!!

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  3. Danke. Bei dir kann ich Auftanken.

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  4. Liebe Christina,
    ich lese deinen Blog regelmäßig. Jedes Mal tanke ich hierbei auf. Und jedes Mal denke ich "Unfassbar, ich fühle mich genau SO wie du es gerade schreibst!"
    In deinem heutigen Blogeintrag benutzt du so wunderbar viele schöne sprachliche Bilder. Das macht das Lesen nicht nur zu einem "Sich verstanden fühlen" und "Auftanken", sondern auch noch zu einem "Worte-Wellness". Ich danke dir dafür :-)
    Herzliche Grüße,
    Linda

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    1. VIelen Dank für diese lieben Worte Linda, die auch ein bisschen "Wellness" für mich sind! Es freut mich so, dass Du hier regelmässig vorbeischaust und noch mehr wenn Du dabei auftanken kannst! (und wie schön, dass es nicht nur mir so geht, mit dem was ich schreibe!) Ich schick Dir ganz herzliche Grüße zurück, sei umarmt und gesegnet!!!

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  5. Nun versuche ich es nochmals ,bis jetzt sind alle Versuche,einen Kommentar zu schreiben,gescheitert.
    Und wieder bin ich ergriffen,LB Christina,von deinen Worten,Versuche,meinen wühltisch aufzuräumen,bin gerade auch in Quarantäne und viel zu müde zum Aufräumen...
    Danke,dass ich ihn Gott hinlegen darf,mach Mal,ich bin zu müde ..und das nach zwei Wochen wunderbarem Nordseeurlaub...
    Dankbarkeit bleibt,Sonnenstrahlen sind da,die ich hier bin Drinnen wahrnehme und im Herzen habe,und euch allen schicke,die ihr auch müde seid...gutes Aufwachen!

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    1. Liebe Doro!
      Vielen Dank für deine Worte und die Sonnenstahlen, die sie schicken (und danke, dass du nicht aufgegeben hast ein Kommentar zu schreiben - ich weiß leider auch nicht warum das manchmal nicht klappt). Wünsche Dir Segen und Aufatmen mitten in der Quarantäne. Und ein entspanntes Gott beim Aufräumen zuschauen :-). Liebste Grüße zurück zu dir!

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    2. Dankeschön,und geniesse jeden Sonnenstrahl,den Duft der Reifen Äpfel,beobachte ein fallendes buntes Blatt, höre das Rauschen des Windes,das Krächzen der Raben und spüre das Leben!

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  6. "Wie geht es dir denn?" Gefürchtet deshalb, weil ich das oft gar nicht so genau weiß. Meistens ist so ein Durcheinander an Befindlichkeiten in mir, dass es sich anfühlt als würde ich mit der Antwort mitten in einen überladenen Wühltisch greifen und irgendwas herausziehen, was dann etwas armselig in der Luft hängt, bevor ich es schnell wieder unter den Berg der vielen anderen Dinge verschwinden lasse."

    Genau das ist es! Du drückst aus, für was ich keine Worte finde... Der Wühltisch ist so ein treffendes Bild! Und dann greifen wir zuerst nach irgendwas... Am Schlimmsten finde ich die Frage nach dem Ergehen noch per WhatsApp. Wie soll ich in einem Satz antworten, wenn meine Antwort ein ganzes Buch füllen würde?
    Wie gut, dass Gott von diesem Wühltisch nicht überfordert ist. Und dass wir auch mal müde sein dürfen...
    Danke für dein in Worte fassen!
    Sula

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    1. Danke liebe Sula für deine ermutigende Rückmeldung. Oh ja, über WhatsApp gefragt zu werden ist ganz schlimm. Da greife ich meistens zu dem amerikanischen: "Gut. Danke." Auch immer ganz oben auf dem Wühltisch zu finden. :-) Schick Dir liebste Grüße!!!

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  7. Ja... was ziehen wir nur an...
    ..und wann gehen wir nur los?

    Der Weltschmerz... ja.. der ist es der mich erdrückt und müde macht
    ... das Wort habe ich sogar als Titel für eine Bilderreihe benutzt.. Weltschmerz das trifft es so unglaublich gut.

    und was ist die richtige Lösung? Verdrängen und einfach seinen netten Alltag leben? Gott anklagen und wüst beschimpfen was er sich nur bei allem gedacht hat?? Alle anderen Anklagen? Vor Mitleid zerfließen?? Gelähmt sein durch Nichtstunkönnen oder -wollen?

    Wenn du die Antwort hast... immer her damit ..

    ♡♡♡ liebste Grüsse ♡♡♡ Janina K.

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