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Mittwoch, 30. September 2020

Eine Umarmung

Draußen beginnt meine Lieblingsjahreszeit. Langsam färben sich die Blätter und im Garten stolpern wir über reife Äpfel und Trauben. In unserem neuen Ofen brennt ein gemütliches Feuer und im Fach darüber backen zwei kleine Brote. Der Duft zieht durch die Wohnung und alles lädt dazu ein, sich mit einer Tasse Kaffee vor das Feuer zu setzen. Aber im Moment fällt es mir so schwer zur Ruhe zu kommen. Gedanken, Aufgaben und Termine rütteln an meinem müden Herz wie der Herbstwind an den Baumwipfeln. Deshalb habe ich die Bibel aufgeschlagen und den Psalm gesucht, der mir immer wieder dabei hilft meine Seele zu beruhigen. Es ist das Gebet von David, aus Psalm 131. Wenn ich diese Verse lese, dann kommt es mir immer so vor, als würde Gott mich in eine sanfte Umarmung ziehen wollen.  Manchmal hilft es mir, die alten vertrauten Worte zu nehmen und sie ganz frei in meine eigenen Worte zu "übersetzen". Das habe ich heute versucht, neben unserem Feuer sitzend. Wollt ihr euch dazu setzen? Vielleicht geht es euch ähnlich wie mir? Da ist so viel Unruhe und es tut gut für einen Moment das Herz zu beruhigen. Bei dem Gott, der hier ist. In diesem Moment. Und uns einfach in seine Arme nehmen will...


Gott, ich will nicht voll sein mit Dingen, die viel zu groß für mich sind.
Ich will mich nicht so wichtig nehmen 
und Wege beschreiten, die viel zu weit für mich sind.
 
Ich will einfach hier sein.
Auf diesem Boden, auf den du mich gestellt hast.
 
Ich will ein ruhiges Herz kultivieren.
 
Deshalb bleibe ich ein wenig hier.
Bei dir.
 
Mein Du.
 
Der meine unruhige Seele so zufrieden und satt machen kann,
wie ein gestilltes Baby in den Armen seiner Mutter.
 
Auf dich richte ich meinen Blick,
voller Hoffnung.
Von dir erwarte ich was ich brauche.

Dein bin ich.
 
Jetzt und alle Tage
bis in Ewigkeit.

Danke.

Amen.
 
 




Mittwoch, 23. September 2020

Wie geht es Dir?

Am Montag war ich auf einer schönen Geburtstagsfeier. Wir haben uns im Garten getroffen, die Stühle waren mit Abstand gestellt und die Freunde, die ich schon länger nicht gesehen habe und denen ich am liebsten um den Hals gefallen wäre, habe ich mit einem Ellenbogen-Check begrüßt. So wie man das macht in diesen Tagen. Ganz zu Recht,wie ich finde. Angesichts weiter steigenden Infektionszahlen, angesichts gefährderter Menschen in meinem Unfeld und einfach auch deshalb weil wir BITTE NICHT SCHON WIEDER in Quarantäne möchten! Also nahm ich, mit angemessenen Abstand, neben den Freunden Platz und nach ein bisschen Smalltalk und interessiertem Nachfragen meinerseits, kam die gefürchtete Frage auf mich zu: "Wie geht es dir denn?" Gefürchtet deshalb, weil ich das oft gar nicht so genau weiß. Meistens ist so ein Durcheinander an Befindlichkeiten in mir, dass es sich anfühlt als würde ich mit der Antwort mitten in einen überladenen Wühltisch greifen und irgendwas herausziehen, was dann etwas armselig in der Luft hängt, bevor ich es schnell wieder unter den Berg der vielen anderen Dinge verschwinden lasse. Dieses Mal antwortete ich erstmal: "Ach, uns geht es gut!" , bevor ich aus der Tiefe meines Herzens den Satz zog: "Aber ich fühle mich gerade auch sehr müde!"  
Müde.  
Das scheint gerade der Restposten der Saison zu sein. Ich spüre es nicht nur bei mir, sondern auch in den Worten der anderen. Ich sehe es in den Augen der Mutter, die hofft, dass ihr Kind an der neuen Schule zurechtkommt und auch unter dem Mundschutz von der Lehrerin gesehen wird. Ich sehe es an Lehrerin, die versucht, unter erschwerten Bedingungen, ihr Bestes zu geben und doch weiß, dass eben erstmal alles schwierig bleiben wird. Ich spüre es bei meiner Autorenkollegin, wenn wir über unsere abgesagte Lesungen reden und darüber wie wir den finaziellen Verlust ausgleichen können.  
Nein, ich will hier nicht jammern. Ich sehe sehr wohl mit wie vielem wir in unserem Land beschenkt sind!  Auf dem Wühltisch meines Herzen liegt auch die Dankbarkeit und ich greife jeden Morgen ganz bewusst nach ihr. Und ich will auch nicht vergessen das Mitleiden und das Beten nach oben zu holen, für die Menschen, die gerade in irgendeinem Flüchtlingslager dieser Welt sitzen, für die Mütter die ihre Kinder heute Abend nicht in ein weiches Bett legen können und ihnen bei Gute-Nacht-Kuss versichern können, dass morgen alles besser wird. Doch, ich weiß wie priviligiert ich  bin. Aber auch der Gedanke macht mich irgendwie müde, weil ich denke ich müsste doch viel mehr TUN und schaffe es nicht. Ich würde gerne losgehen und die Welt retten, aber ich weiß nicht was ich anziehen soll. Wenn ihr wisst was ich meine.  
Was ich weiß: Es ist schlecht die Müdigkeit auf Dauer zu ignorieren. Dann fängt sie an zu gammeln und komisch zu riechen und explodiert am Frühstückstisch, wenn man nur ein bisschen an ihr rüttelt (genau so heute morgen passiert!). Also will ich sie nicht wegdrücken, sondern sie immer mal wieder bewusst anschauen. Und sei es, dass ich einfach einen kleinen Blogartikel darüber schreibe
Hallo mein Herz, da ist ja ganz schön viel Müdigkeit in dir drin. Und wenn wir mal ehrlich sind: Das ist ja auch kein Wunder! Weißt du was: Heute darfst du ein bisschen müde sein. Wir lassen mal ein paar Dinge liegen und gehen nach draußen - das tut dir doch so gut, das habe ich fast vergesen! Wir klauen uns ein halbes Stündchen Alltag und setzen uns ins weiche Gras und sind faulig (wie es Samuel immer so schön ausdrückt). 
So sitze ich also unterm Apfelbaum. Mit meinem müden Herz. Über mir rauschen die Blätter und von irgendwoher weht die leise, liebevolle Frage: Mein Kind, wie geht es Dir? Und ich schiebe einfach den ganzen Wühltisch in Gottes Richtung und lasse ihn ein bisschen sortieren während ich gar nichts tue außer mich in seine weiche, wissende Mutterliebe zu legen und nebenher ein paar Ameisen von den Beinen zu schnippen. Und dann trotten wir wieder zusammen Richtung Alltag. An einer Hand die Müdigkeit, an der anderen die Dankbarkeit. Und ein bisschen Frieden ist jetzt auch dabei.

So geht es mir. 

Und wie geht es Dir? 


Dienstag, 15. September 2020

Neuanfänge

 (Blogpost enthält link und unbeauftragte Werbung)

Diese Woche ist Neustart angesagt. Die Hefte, die Ende des letzten Schuljahres zerfleddert und mit sämtlichen Fett- und Schmutzflecken gestaltet in den Ranzen gestopft wurden, sind nun alle durch wunderbar neue Schreibhefte ersetzt. Die Stifte sind gespitzt und Klebstoff und Pinsel erneuert. Alles ist bereit. Der Viertklässler hat gestern mutig seinen Ranzen geschultert und ist Richtung Schule gehumpelt (ein kleiner Unfall am Wochenende, der Gott sei Dank ohne größere Folgen blieb). Davor hatte er nochmal einen kleinen Angstanfall. Ich habe ihn fest umarmt und mit dem Segenswort losgeschickt, das ich auch im letzten Jahr jeden Morgen zu ihm gesagt habe: Jesus segne dich und ich liebe dich. Ein Satz, den ich aus der Familie eines Freundes "geklaut" habe, weil er mir so gut gefiel. Und Samuel gefällt er auch. Und dann geht er los. Ins Leben. Mit vielen weißen Seiten, die darauf warten beschrieben zu werden.

Die Geschichte von uns Menschen, wie sie in der BIbel erzählt wird, beginnt mit dem Satz: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Neulich habe ich gelesen, dass dieser Satz in der jüdischen Tradition oft so ausgelegt wird: An einem Anfang begann Gott damit, Himmel und Erde zu erschaffen. Was ein wunderbar geheimnisvoller Hinweis darauf sein könnte, dass es unendliche viele Anfänge bei Gott gibt und schon immer gegeben hat. Und an einem dieser Anfänge hat er die Erde erschaffen. Und auch das ist wieder ein Anfang. Er hört er nicht auf mit dem Neubeginn! Einen Sonnenaufgang nach dem anderen. Ein Menschenkind nach dem anderen. "Siehe, ich schaffe neues!" sagt Gott und reibt sich die Hände und schenkt uns jeden Morgen neu seine Gnade und wir dürfen mit blütenweißen Heften in den Tag starten!

Unsere Neuanfänge brauchen immer auch Mut. Es braucht Mut, das Herzensprojekt in Angriff zu nehmen oder diese gefürchtete Begegnung, die ein Neuanfang sein könnte, nicht mehr aufzuschieben. Es braucht Mut, verletzliche Worte zu sagen und es braucht Mut, dagegen zu halten, wenn verletzende Worte fallen. (auch dahinter könnte ein Neuanfang stecken!) Manchmal braucht es Mut morgens in den Spiegel zu schauen und manchmal ist es schon sehr mutig überhaupt das Bett zu verlassen! Besonders an den Tagen, die wir nur humpelnd beginnen können.  Auf meinem derzeitigen Tagebuch steht: Mit Mut fangen die schönste Geschichten an! Das gefällt mir. Und mir gefallen die Worte, die Anne darüber gefunden hat,auf ihrem wunderbaren Blog kleineweggedanken.de -  auch ein Neuanfang! -  den ich euch nur wärmstens ans Herz legen kann!!!! Hier schreibt sie über das Mutig sein. Und hier schreibt sie wie Ostern riecht. Einer meiner Lieblingstexte, der auch nach Neuanfang riecht... 

Wofür auch immer du gerade Mut braucht: 

 

*der Gott,

der unaufhörlichen Neuanfänge,

der dich so unendlich liebt,

ER segne dich.

 

Und morgen früh beginnt er wieder hier: *

 


Montag, 7. September 2020

Die schönen Bilder und die Geschichten dazwischen

Und dann kam es tatsächlich noch -  das Gute, mit dem wir nicht mehr gerechnet haben! Völlig unerwartet sind uns doch noch die Ferientage in den Schoß gefallen (Gott sei Dank für negative Testergebnisse und schnelle, wohlwollende Entscheidungen von Ordnungs- und Gesundheitsämtern! Ich werde nie wieder über die deutsche Bürokratie schimpfen, versprochen). Schwupps saßen wir am Meer und konnten es kaum fassen! Ein bisschen wie Weihnachten, mitten im Sommer. Aber wie das dann so ist, an Weihnachten: Man will so unbedingt ein paar richtig harmonische, dankbare Tage miteinander verbringen - und dann geht es doch schief. Das Kind wollte einfach nicht so glücklich und dankbar sein wie wir es gerne gehabt hätten und spätestens am dritten Tag war ich dann auch nicht mehr so glücklich und dankbar wie ich mich gerne gehabt hätte. Es gab ein kräftiges und heilsames Familengewitter. Entschuldigungen wurden ausgetauscht, Frust und überhöhte Erwartungen abgegeben und ein paar einfach Regeln für einen schönen Urlaub aufgestellt. Und dann haben wir Gott darum gebeten uns bitte, bitte zu helfen, dass wir die restlichen Tage besser hinbekommen und uns ein bisschen erholen können. Und ich habe ihm  gesagt, dass es mir leid tut, dass ich es nicht schaffe, wenigstens mal ein paar Tage lang einfach nur dankbar zu sein, nachdem er uns so beschenkt hat. Ich ahne, dass er bei solchen Gebeten lächeln muß und uns, mit Tränen in den Augen, seine Arme entgegenstreckt. Deshalb brauchst du mich, mein Kind. Es ist gut. Lege deine Erwartungen und Ansprüche ab - und verwechsle sie nicht mit meinen Erwartungen! Komm wie du bist. Mühselig und beladen. Ich will dir Ruhe und Erquickung schenken. 
Und dann schwappte der Segen in unsere abgekämpften Herzen. Wir wurden gnädiger miteinander. Wir konnten mehr lachen und haben uns weniger geärgert.  Die Dankbarkeit wuchs, nachdem wir aufgehört hatten an ihr zu ziehen, und die Harmonie gesellte sich immer mal wieder ganz freiweillig dazu (so ein scheues Wesen!). 
Ich schreibe euch das, bevor ich hier ein paar Urlaubsbilder zeige. Weil man das alles darauf nicht sehen kann. Ich habe auch kein Bild vom schlecht sitzenden Badeanzug (wofür ihr dankbar sein solltet!) und  keins davon wie ich verzweifelt mein Spiegelbild betrachte oder wie ich grollend im Regen Fahrrad fahre und wie wir enttäuscht vor der verschlossenen Tür unseres liebsten Fischrestaurants stehen. Auch mein Wutausbruch bei dem Heio und Samuel erschrocken aus dem Zimmer schlichen wurde - Gott sei Dank - nicht auf der Kamera festgehalten (mir fällt nicht mehr ein warum ich so wütend war - aber ich habe mich auf jeden Fall dafür entschuldigt!).
Die Sache ist die: Wenn wir immer nur die schönen Bilder voneinander betrachten, dann das schadet auf Dauer unserer Seele! Wir fangen an zu glauben, dass das Leben nur in der Freude, im Glück, in Schönheit, im "Erlebten" stattfindet. Wir vergessen, dass das echte Leben, nach dem wir uns sehnen, aus dunklem Boden wächst. Das Leben, bei dem man dreckige Hände bekommt und Blasen an den Füßen und schwabbelig weiche Bäuche und tiefe Furchen im Gesicht und in dem man die Wespen vom Kuchen jagen muß und fluchend über die Dreckwäsche stolpert und Verzweiflungsanfälle überwinden muss. Es ist genau dieses Leben, in dem Gott neben uns kniet, seine Hände tief in der dreckigen Erde und Samen aussät. Mit ungebrochenem Optimismus. Jahr für Jahr. Umso mehr ich ihn betrachte umso ruhiger und entspannter wird mein Herz. Und dann schauen wir zusammen die schönen Bilder an. Wir lachen und erzählen uns: Weißt du noch, was davor passiert ist? War da nicht der Wutanfall und hast du in diesem Laden nicht viel zu viel Geld ausgegeben? Und ich spüre wie sich sein Arm um mich legt. Um alles was ich bin. Um alle die mir nah sind. Um unsere ganze zerbrochene und wunderbare Welt. Und dann bin ich für einen kleinen Moment mal einfach nur ganz still. Und dankbar.