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Mittwoch, 29. Mai 2019

Günstige Zeit

Unser Alltag fühlt sich im Moment so richtig provisorisch an. Wir sitzen beim Frühstück am wackligen Plastiktisch, stolpern über die Umzugskisten ins Bad, waschen uns mit diesen lächerlich kleinen Urlaubsversionen von Duschgel und Shampoo und ich staune wie viel größer die Räume wirken wenn die Bilder von den Wänden sind. Und wie viel Staub sich in den Ecken so ansammelt, über die Jahre.
Samuel ist krank Zuhause und ich habe mir mein Kreuzband gerissen. Das ist ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt. Andererseits gibt es wohl nie ein günstiger Zeitpunkt für solche Dinge, oder? Wo ich mal wieder an die Bibelstelle denken muß wie Paulus uns auffordert die Zeit auszukaufen - sprich, zu erkennen was JETZT, in dieser Zeit meines Lebens günstig ist.  Da fallen mir spontan diese Dinge ein:

  • Bein hochlegen und dem kranken Kind Geschichten vorlesen




  • Lieblingsessen kochen. Stärkende Mahlzeiten mitten im Chaos




  • Abschiede bewusst feiern und Nachbarn dankbar verabschieden

egal welches Wetter!


  • Sich segnend veraschieden lassen.


  • Ein bisschen näher zusammenrücken



  • Im "Provisorischen", den kleinen Übergangslösungen von wackligem Tisch und Klappstühlen, von nicht mehr so richtig  hier aber auch noch nicht dort , mich daran erinnern lassen, dass wir unterwegs sind und bleiben und dass unsere Wohnungen nur Gasthäuser auf dem Weg zur Heimat sind. 


 Habt gesegnete Tage! Schön, dass wir zusammen auf der Reise bleiben!

Dienstag, 21. Mai 2019

Roter Teppich

( Blogpot enthält links und nicht beauftragte Werbung)

Das vergangene Wochenende wurde, völlig ungeplant, zu einem kleinen Fan-Wochenende.
Am Freitag war ich auf der CD-Release Party meiner Freundin Sally. Ich musste zwar etwas schlucken als sie mir sagte, dass sie erst kurz vor Zehn ihren Auftritt hat - ich konnte die Frage: "Morgens oder Abends?" noch rechtzeitig zurückhalten. Ich hab mich also recht müde auf den Weg gemacht (und NICHT den Schlafanzug schon drunter gezogen) und es war ein tolles Erlebnis. Es ist schön die Freundin so lebendig zu sehen! Auf der Bühen sieht das alles so einfach aus.  Aber ich weiß, dass der Preis den sie dafür zahlt, auch ziemlich hoch ist. An diesem Abend feiere ich meine Freundin und ihre Gabe, Menschen zum Tanzen zu bringen.


Am nächsten Morgen ging es gleich weiter zu einer Lesung von Veronika. Wie schön war das, mit Kaffetasse und Brezel in der ersten Reihe zu sitzen, und die Freundin anzustrahlen. Ich liebe ihre Art Geschichten zu erzählen. Ehrlich, lustig und so, dass sie ins Herz sprechen. Das hat mich vor Jahren damit ermutigt, meine eigenen Geschichten zaghaft aufzuschreiben.


Und dann habe ich am Sonntag noch meine Freundin Tanja dabei beobachten können wie sie den roten Teppich ausgerollt hat. Es gibt Menschen die können das: Andere groß machen! Das Scheinwerferlicht auf die lenken, die am Rand stehen. Auf diejenigen, die heute noch nicht wissen dass sie morgen wunderbare Lieder schreiben,  Geschichten erzählen oder tanzen werden oder irgendetwas anderes finden, was sie innerlich ganz lebendig macht. Ihnen heute eine Bühne zu geben, das ist Tanjas Anliegen mit ihrem Verein Props. Und jedes Mal wenn ich sie dabei beobachte, treibt es mir die Tränen in die Augen. Es ist als würde Gott ein wenig an meiner Seele zupfen (danke für dieser schöne Ausdruck, Vroni!). Er erinnert mich daran, dass es Teil von dem ist, was wir Jesusliebhaber machen dürfen: Ein bisschen Raum schaffen. Für erste schräge Töne. Für holprige Tanzschritte. Für Bilder mit Farbkleksen am Rand und zaghaft erzählte Geschichten. 
Wir dürfen den roten Teppich ausrollen und zusammen Jesus willkommen heißen. Und wenn er dann tatsächlich auftaucht, mitten unter uns, manchmal gerade im Stolpern und Stammeln und unbeabsichtigten Farbkleksen, dann merke ich:  DAS ist es, was MICH lebendig macht!!!


 

Mittwoch, 15. Mai 2019

Du schaffst das!

Heute morgen reibe ich mir die müden Augen und hoffe ich kann in der kurzen Zeit in der Samuel heute in der Schule ist etwas sinnvolles schreiben (die letzten zwei Stunden fallen leider aus  ;-)) . Das Leben ist gerade etwas überwäligend. In fünf Wochen steht unser Umzugstermin an. Das bedeutet: Ich sortiere seit Tagen unsere Sachen aus - und versuche mich auch brav, Marie-Kondo-mässig, bei jedem Gegenstand zu bedanken, bevor er wegkommt.  Langsam verschwinden auch schon größere Möbelstücke aus der Wohnung - Ebay sei Dank.  Gestern wurde unser wunderbarer Ofen weggetragen. Und in den nächsten Tagen wird auch die Küchenbank samt Tisch verschwinden. (ähh, wo werden wir dann eigentlich essen?) Ich finde den Gedanken schön, dass unsere alten Möbel nicht auf dem Sperrmüll landen, sondern in andere Wohnungen ein neues Zuhause finde. Und da sind ja auch die Dinge die wir aufbewahren und mitnehmen werden, die nun nach und nach in bereitstehenden Bananenkisten verschwinden. 
Samuel wird kommende Woche in der neuen Schule angemeldet. Er hat natürlich Angst. Und ich bin mit ihm aufgeregt. Aber ich will an das denken was mir meine kluge Freundin, die Grundschullehrerin, gesagt hat: "Es ist so wichtig, dass ihr Eltern euren Kindern auch etwas zutraut!"  Und das will ich. Ich will, dass Samuel das, bei allem Mitfühlen, aus meinen Worten hört:  Du schaffst das! Das weiß ich! Vielleicht nicht auf Anhieb. Und bestimmt werden Angstanfälle und Tränen mit im Programm sein. Manches wird schwierig. Manches wird anders. Und vieles wird auch so viel besser. Zum Beispiel wird sein bisheriges Problem, dass er seine Klassenkameraden in der Pause unter den vielen Kindern nicht finden kann, an der neuen Schule verschwunden sein. Es ist eine SEHR KLEINE Schule! Die neue Klassenlehrerin war ganz glücklich, dass noch ein Kind dazu kommt. :-)

Ja, es geht wirklich von der Stadt aufs Land. Und ich bin mehr als bereit dafür. Immer mal wieder schaue ich auf dem Handy das Foto an, das ich von unserem zukünftigen Balkon aus gemacht habe. Ach, ich freue mich schon so auf die Abende wo wir einfach dort sitzen und über die Felder schauen werden. (und keine laute Bundesstraße weit und breit!)


und die gemütliche Gartenlaube wird auch zu uns gehören!

Aber bis wir dort entspannt sitzen werden, gibt es hier noch einiges zu tun. Deshalb kann ich mich in den nächsten Wochen wahrscheinlich hier nur kurz melden. Ich werde versuchen meine - leider etwas kleine - Kraft gut einzuteilen, an den richtigen Stellen Nein zu sagen und nicht alles auf einmal erledigen zu wollen. Ich werde mir vornehmen barmherzig mit dem Mann zu sein, dem das weggeben von Dingen sehr schwerfällt (der sich aber die größte Mühe gibt!). Ich werde versuchen, meine Gedanken nicht nur mit Umzug und Pinterest-Bildern von Wohnungseinrichtungen zu füllen und bei IKEA keinen Kundenrekord aufzustellen. Ich nehme mir vor geduldig mit Samuel zu sein und ich will wenigstens einmal am Tag alles stehen und liegen lassen und gemeinsam mit ihm  auf den Fahrrädern ziellos durch die Gegend fahren. Einfach weil es wichtig ist, dass wir nicht nur effektiv unsere Tage verbringen. Zeit verschwenden ist ein ein völlig unterschätzter Bestandteil des Lebens. Finde ich.
Ja. Alles das will ich versuchen. Und ich weiß jetzt schon, dass ich in jedem dieser Bereichen auch grandios scheitern werde. Aber dann will ich daran denken was die Freundin zu ihren entmutigten Schülern sagt, wenn sie etwas nicht auf Anhieb hinbekommen: Sag nicht: Ich kann das nicht. Sag: Ich kann das noch nicht! (und mit so einer tollen Lehrerin an der Seite kann ich das auch tatsächlich glauben!) Das scheint mir ein wunderbarer Rat fürs Leben zu sein. Ein Satz der Mut macht Dinge weiter zu versuchen, auch wenn sie uns oft schwerfallen. Der selbstgesteckte Grenzen freundlich zur Seite räumt und uns Zeit zum Lernen gibt. (Angstanfälle und Tränen inbegriffen).  Ein Satz aus dem Barmherzigkeit tropft, der Raum für zweite Versuche gibt, für Versöhnungskuchen, heilige Bitte-hilf-mir-Gebete und für einen Neustart in der zweiten Hälfte unserer Tage. Es ist ein Satz hinter dem ich das Flüstern eines liebenden Gottes höre, für mich, für Heio und Samuel, für jeden von uns, der gerade vor Herausforderungen steht :

Ich trau dir das zu!  

Du schaffst das!  

Ein Tag nach dem andern. Eine Kiste nach der anderen. Ein Schritt vor den nächsten. MIt Gott an unserer Seite. Und dann, plötzlich, ist es geschafft.


Bewahren. 
Aussortieren. 
Loslassen.
Und danach 
den Staub aus den Kleindern schütteln,
den freien Raum betrachten,
und das Lächeln von den auffangen 
der Neuanfänge liebt.

(aus: Warum ich da noch hingehe)

 



Montag, 6. Mai 2019

Danke Rachel!

Gestern Abend habe ich nicht, wie sonst so oft, den Tatort eingeschaltet um entspannt den Sonntag ausklingen zu lassen.  Auf Heios erstaunte Frage was denn mit den heutigen Krimi los ist, habe ich nur geantwortet: "Ich glaube meine Seele braucht jetzt etwas anderes!" und schon bin ich draußen, um zügig eine Runde über die Felder zu drehen. Es ist der Tod einer meiner Lieblingsschrifstellerinen, Rachel Held Evans, der mich erschüttert und wegen dem ich nicht zu meiner Sonntagabend-Routine übergehen will. 
Erst in den letzten Wochen habe ich ihr neustes Buch Inspired gelesen. Darin schreibt sie über  ihr, oft etwas kompliziertes, Verhältnis zur Bibel und wie sie gelernt hat dieses Buch ganz neu zu lieben.  Bewegend, aufrüttelnd, teilweise unbequem, an manchen Stellen auch  anders als ich das sehe, und zwischendrin kamen mir immer wieder die Tränen weil ich den Eindruck hatte, Gott redet mir direkt ins Herz. Ein typisches Held Evans Buch eben.  Ich musste Sätze dick unterstreichen - obwohl ich das Buch doch verschenken wollte, ahh!
Und dann, Mitte April, schreibt ihr Ehemann Dan auf Rachels Blog, dass sie an einer unklaren Infektion erkrankt ist und man sie wegen ständiger Krampfanfälle ins künstliche Koma versetzt hat. Jetzt war es weniger die faszinierende Schriftstellerin, die ich manches Mal um ihre Gabe beneidet habe.  Jetzt war es einfach meine Schwester, und 37-jährige Mama mit zwei ganz kleinen Kindern, für die ich gebetet habe. Und am Sonntagmorgen postet ihr Mann die Nachricht, dass Rachel verstorben ist. So unfassbar. Wie ein Lauffeuer ging es durch die sozialen Medien. Es wird klar, wie vielen Menschen diese Frau, mit ihren Worten Mut gemacht hat. Heimatlosen und Suchenden im Glauben hat sie eine Stimme gegeben. Sie hat mit ihren eigenen Fragen und Geschichten ihre Arme so weit es ging ausgebreitet und ganz vielen von uns damit etwas von Gottes großem Herz gezeigt. 
Während ich gestern über die Felder lief, habe ich für Dan gebetet und die zwei kleinen Kinder, die ihre geliebte Mama auf dieser Erde nur noch in verschwommenen ersten Kinheitserinnerungen und aus Erzählungen kennen werden. Und ich sagte Gott wie verwirrend ich das alles finde und dass es mir Angst macht wie zerbrechlich unser Leben hier ist. (und wie sehr mir die Stimme dieser mutigen Frau fehlen wird!) Und ich stellte mir die Frage, was mein "Erbe" sein wird und was die Dinge sind die am Ende wirklich zählen. Ich ahne, dass es nicht so sehr die großen Dinge sind, die manchmal so erstrebenswert scheinen. Es sind eher die unscheinbaren, kleinen Saatkörner die wir treu und liebevoll in den Boden pflanzen auf dem wir stehen. Und am Ende ist es vielleicht einfach nur wichtig in wessen Umarmung wir uns flüchten.

Einer der Sätze aus Rachels letztem Buch der mich berührt hat ist folgender:
Die Kirche besteht nicht aus Menschen die alle das Richtige glauben. Sie besteht aus Menschen, die alle in die gleiche Geschichte verwickelt sind, mit Jesus im Mittelpunkt.
https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/31TVyZwYrTL._SY200_.jpgDanke Rachel, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast! Mit ehrlicher Stimme. Drängend. Poetisch. Schön und aufwühlend. Zum Lachen und Weinen. Texte mit vielen Schlupflöchern für die Gnade. Du hast mich immer wieder daran erinnert, dass am Ende die Liebe zählt und wem wir die verwirrenden Passagen anvertrauen können; auch  die Kapitel die auf der Erde viel zu früh enden!
Deine Worte werden in mir nachhallen. Sie bleiben ständige Einladung sich in Gottes Arme zu werfen. Arme, in denen so viel Platz ist! Und sie erinnern mich daran, dass wir in eine Geschichte verwickelt sind, die so viel größer ist als unsere Eigene. Dafür bin ich von Herzen dankbar.



reposted von Rachelheldevans.com