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Freitag, 26. Oktober 2018

Wütend beten.

Diese Woche ist wie ein D-Zug vorbeigerauscht. Es ist tatsächlich schon Freitag und heute beginnen bei uns die Herbstferien. Gerade ist so einiges los und mir werden gefühlt die Tage jetzt schon so knapp wie sonst nur in der Adventszeit. Ich versuche in die kurzen Zeit die ich vormittags  für mich alleine habe möglichst viel reinzupacken: Artikel fertig schreiben, schnell noch einkaufen, davor Kindergottesdienst und Texte für Lesungen vorbereiten und den Workshop für ein Bloggertreffen fertigstellen (und JUHU: Ich freue mich den einen oder anderen von euch dann zu treffen!). Und weil ich diese und nächste Woche wohl keinen Blogartikel mehr schaffe, nutze ich die Gunst der Stunde einen Text loszuschicken, der hier seit Anfang des Jahres in der Warteschleife hängt. Nicht völlig unbeachtet. Ab und zu habe ich ihn angeschaut, alleine oder im Kreis von Freunden. Und beim Lesen  hat es mich jedes mal wieder gepackt; ein Gefühl, als würde mir Koffein in meinen Kreislauf gespült. Und ich wollte ihn jetzt einfach gerne mit euch teilen. Weil der Inhalt mir heute noch genauso wichtig ist wie Anfang des Jahres. 
Viel Segen beim Lesen!!! (mit oder ohne einer Tasse Kaffee:-)).

"Nieder mit dem Fatalismus!" So begrüßt mit Heio mit der Faust in der Luft am Frühstückstisch. Ich füge ein kräftiges "Amen!" hinzu (was ja so viel heisst wie: ganz genau, so ist es!) und taste mit verquollenen Augen nach der Kaffeetasse. Was ist geschehen im Hause Schöffler? Sind wir einer neuen politischen Kraft beigetreten oder haben und eine revolutionären Sekte zugewandt? Keine Spur. Die richtige Spur führt an unseren Wohnzimmertisch, am Abend vorher: Da saß ich genervt vor dem Gesellschaftsspiel Besserwizzer, ohne einen einzigen Punkt während Heio schon auf der Siegerstraße war (der Besserwisser!). Und da stand dann diese Frage, deren Beantwortung meine letzte Chance war:
Wie nennt man das, wenn man sich dem Schicksal hingibt und die Umstände willenlos als gegeben annimmt? 
Es lag mir auf der Zunge. Wirklich. Kurz davor runterzufallen. Ich bat um eine kleine Hilfe. Aber der Wächter über die korrekte Einhaltung aller Spielregen gab nicht wirklich nach. Ich war stinksauer. Habe mich ins Bett verzogen (um 9 Uhr abends!). In mir pochte heisse Wut. Und die ergoß sich dann über den Mann, der es eine halbe Stunde später wagte, das Schlafzimmer zu betreten. Eine Schimpftirade die sich gewaschen hat. Als hätte ich eine halbe Stunde lang die Lauft angehalten und jetzt musste es raus. Zuerst wütete ich über den korrekten Spielleiter. Sein Unverständnis für eine Verliererin wie ich es bin. Dann - ihr ahnt es - wütete ich über die Verliererin. Und plötzlich fiel diese unheilige, wilde Wut wie ein Waserfall in einen heiligen Flußlauf und ich fing an über Dinge wütend zu werden, die einfach nicht richtig sind! Darüber dass Freunde schon lange krank sind, dass Menschen die ich liebe ständig am kämpfen sind, dass wunderbare Nachfolger von Jesus jahrelang mit Süchten kämpfen oder mit Depressionen lahm gelegt werden, dass Ehen kaputt gehen, und Leute an Gott verzweifeln... und ich rief in das Dunkel unseres Schlafzimmers:" Jetzt reicht`s! Das kann doch einfach nicht wahr sein! Wieso sollten wir so etwas besonderes sein, dass Gottes Wort nicht auch für uns gilt? Ich will das nicht mehr länger einfach so hinnehmen." Stille im Raum. "Fatalismus", sagte Heio leise ins Dunkel und griff nach meiner Hand. EIn Wort das wie ein fehlendes Puzzeteil an seinen Platz fiel.  Und dann beteten wir. Gegen den Fatalismus. Den Schicksalsglaube, dass die Dinge nun mal so sind und wir sie einfach so hinnehmen müssen. Nein. Wir wollen sehen, dass sich die Dinge ändern! Unsere Gebete, die wir ins Dunkel riefen waren fordernd und trotzdem demütig. (ich habe ja immer ein bisschen  Angst, dass Gott tatsächlich sichtbar auftaucht und ich tot umfalle!). Danach konnte ich ganz lange nicht einschlafen. Wie soll ich schlafen, wenn ich das Gefühl habe, das etwas in mir gerade aufgewacht ist? Und heute morgen ist es immer noch da. Unter Schimpftiraden und großer Wut ist ein bisschen mehr von Gottes Herz in mein Leben geflossen. Und das, wo ich doch Wut ganz schlecht kann und immer denke, das darf nicht sein. Gestern war sie zuerst ungerecht und gemein  und dann ein Schleusenöffner zum Gebet. 
Ich glaube geistliche Unzufriedenheit ist eine Verheissung! Es kitzelt meinen Glauben wach. Es ist die Ahnung, dass da doch mehr ist. Dass da etwas auf dem Weg ist, was die Umstände an ihren Platz verweist. Dass ein Name in der Luft liegt, dem sich alles beugen muss
Es gibt Zeiten im Leben da ist es gut und hilfreich, unvermeidbares einfach geduldig zu anzunehmen und das Beste aus der Situation zu machen. Aber es gibt auch Momente, da ist es Zeit aufzustehen und zu sagen: So nicht! Nicht mit mir! Nicht mit meiner Gemeinde! Nicht mit meinen Freunden. Bis hierher und nicht weiter. Da ist ein Erbe, dafür hat Jesus sein Blut gelassen! Da ist eine Freiheit, die wurde teuer für uns erkämpft. Da ist ein Platz, an den wir gehören. Da sind Dinge, die uns geklaut wurden und die holen wir uns jetzt zurück.
Mein Gebet ist, dass ich mich nicht wieder resigniert den Umständen füge; dass ich mich nicht betäuben lasse von der Flimmerkiste und langem Internetsurfen; dass mein Hunger sich Angesichts eines vollen Kühlschranks und eines vollen Lebens nicht wieder legt. Es ist meine Zeit wach zu bleiben. Unzufrieden. Hungrig. Und ja - manchmal auch richtig wütend. 

Ich glaube, dass sich die Umstände an Gottes Wort anpassen müssen und nicht umgekehrt. Und das will ich sehen. Und ich will, mitten im Dunkel, Hände suchen die mit mir beten.  

Gottes Reich soll kommen. Wie im Himmel, so auch auf Erden. 




Donnerstag, 18. Oktober 2018

Ein Cafe zum Träumen




Heute ist unser neunter Hochzeitstag. Das ist ein wunderbarer Anlass endlich mal das Cafe der Freundin einer Freundin zu besuchen. Weil wir in diesen Tagen ökologisch unterwegs sind (Feinstaub und so) fahren wir mit den Öffis dorthin. Für die letzte Strecke besteigen wir den Bus, was für mich bedeutet, dass mir langsam aber sicher schlecht wird. So ist das seit meiner Schulzeit, wo ich bei Ausflügen abwechselnd mit meinen Schulkameraden in die Tüte gespuckt habe (und Samuels ständiges Nachfragen "Und, ist es dir schon schlecht? Musst Du gleich spucken?" trägt auch nicht wirklich zur Entspannung der Lage bei).  Etwas mitgenommen steigen wir aus. Wir entdecken auch gleich die grün gestrichenen Tische mit dem farbenfrohen Blumenschmuck. Der Platz ist in spätsommerliches Licht getaucht und das kleine Cafe glänzt und strahlt uns so schön entgegen wie die wunderbare Besitzerin. Während wir den leckeren Kaffee schlürfen, Waffeln und unglaublich guten Kuchen verspeisen (die Übelkeit hat sich Gott sei Dank schnell gelegt!) erfahren wir die Geschichte, wie dieser Traum wahr wurde. Es ist eine Mischung aus intensiver Vorbereitung, vielen Gebeten, Unterstützung von Freunden und der Familie und dann: offene Türen! Ein Laden an genau der richtigen Stelle. Nur dass da noch Öko-Klamotten verkauft werden. Einem Impuls folgend geht die zukünftige Cafebesitzerin hinein. Und dort erzählt sie, während sie sich völlig bescheuert vorkommt, von ihrem Traum. Die Antwort ist: "Wollen sie meinen Laden dafür haben?" Und dann passt es einfach. Was lange nur ein Herzenswunsch war, wird Wirklichkeit. Am Ende wird sogar noch eine schöne Wohnung in der Nähe des Cafes frei. Wir hören staunend zu. Und wir können sehen, wie dieser Ort eine Anlaufstelle für die Nachbarschaft geworden ist. Kinder springen um die Tische, immer wieder grüßt die Besitzerin vorbeieilende Passanten zu, hier wird ein schöner Urlaub gewünscht, dort wird versprochen morgen auf einen Kaffee vorbeizuschauen... ich kann nur eins denken: was für ein gesegneter Ort!
Ach, ich LIEBE solche Geschichten, in denen die Puzzleteile plötzlich an den richtigen Platz fallen, wo Türen aufgehen wenn man sich nur ein bisschen dagegenlehnt und Träume wahr werden die man lange Zeit im Herzen hatte. Vielleicht auch deshalb weil das Leben uns oft das Gegenteil zu sagen scheint und ich mir auch oft ganz anderes vorhalte: Denk bloß nicht, dass deine Träume von Bedeutung sind! Warum sollte Gott sich um ein Cafe kümmern? Um eine schöne Wohnung? Da hat er sicher wichtigeres zu tun! Sei dankbar für das Leben das du hast und hör auf mehr zu wollen. Ganz oft glaube ich, dass Gott genau so denkt. Und ich vergesse, dass ich dem der Schöpfer von allem Guten folge, dass er schönes liebt, dass er Träume und Sehnsüchte ins Herz legen kann und dass er Freude daran hat seinen Kindern gutes zu tun, und Dinge vorzubereiten und offene Türen zu schenken und wunderbare Orte mit uns zu schafffen, mitten in einer zerbrochenen Welt, in der wir oft genug mit Enttäuschung und Schmerz zu tun haben. 
Puh. Was für ein langer Satz. Und was für ein Vorlauf um euch von meinem Traum zu erzählen. Also. Ich sehne mich sehr nach einem kleinen Haus, mit einem großen verwilderten Garten. Und in dem Garten stellen wir dann einen riesigen Holztisch auf an dem die ganze Gemeindefamilie Platz finden kann (nicht ständig, aber immer mal wieder :-)). Und dann öffnen wir in der Nähe ein kleines Cafe, Books and Brezels! mit Bücherregalen an den Wänden, mit Brezeln und Blumen auf dem Tisch. Und ab und zu gibt es Lesungen und das eine oder ander kleine Konzert. Es wird ein Ort an dem man ein bisschen Wärme und ein offenes Ohr findet und vielleicht, neben dem Kaffeegeruch, der Duft von einem ewigen Zuhause in der Luft liegt.
Ach, was für ein Traum. Und so unrealistisch. Und ich bin doch inzwischen zu alt . Und zu fertig. Und zu wenig quaifiziert. Und hab zu wenig dafür gebetet. Und das liebe Geld. Und die Immobilienlage um Stuttgart. Und sowieso.  Vergiß es einfach. Aber ich glaube bei allem was Gott über unsere Wünsche und Sehnsüchte denkt ist der Satz: "Vergiß es einfach" wohl das Letzte was er sagen würde.
Vor einiger Zeit habe ich hier  Bill Johnson zitiert. Er sagte:

 Ich bin immer noch überrascht darüber, wie interessiert Gott an dem ist, was mich interessiert und was ich denke und was wertvoll für mich ist...alle diese ganz vergänglichen Dinge. Er rührt sie an und wirkt darin, einfach weil er mich mag. 

DAS zu glauben, das fällt mir oft so schwer. Da denke ich sofort: Aber Gott ist doch kein Wunschautomat. Und ich will mein Herz lieber dicht machen um nicht enttäuscht zu werden. Und doch erlebe ich immer wieder so viel Gutes, so viel wunderbare Fürsorge, unerwartet offene Türen und Liebebezeugungen in meinem kleinen Alltag,  dass mein Herz doch endlich mal begreifen könnte, dass Gott es so unendlich gut mit uns meint! Und vielleicht ist es wichtig hier mal aufzuschreiben wovon ich träume. Weil ich damit sagen will: Es ist nicht unwichtig! Es ist nicht unwichtig wovon wir träumen und wonach sich unser Herz sehnt. Bei Gott jedenfalls nicht! Unsere Träume könnten sogar eine Aufforderung sein eine Reise anzutreten. Vielleicht ist die Fahrt nicht immer angenehm und an manchen Abschnitten benötigen wir die kleine Plastiktüte in der Rücksitztasche vor uns. Und vielleicht kommen wir auch nicht genau da an wo wir ursprünglich hinwollten. Vielleicht wird manches ganz anders als erträumt und manches sogar noch viel besser (daran erinnert mich unser heutiger Hochzeitstag! ;-)). Und zwischendurch setzten wir bei Kaffee und Kuchen zusammen und erzählen uns wie gut es Gott bisher gemacht hat. Und wir wecken die alten Träume wieder auf!


Wenn du Jesus überraschen willst, dann vertraue ihm. Um Ihm vertrauen zu können, muß ich überzeugt sein, dass er es gut mit mir meint. Kannst du glauben, dass Jesus  nur gut ist? Noch viel mehr: Er ist der Beste! Er ist der, der sich über dich freut und dir gutes tun will!
Hans Peter Royer

Donnerstag, 11. Oktober 2018

worüber ich mich gerade freue

Samuel bringt mich immer wieder zum Lachen (fast so oft wie ich mich über ihn aufrege ;-)). Vor einigen Tagen kam aus seinem Zimmer ein entrüsteter Ausruf: "Oh, i find einfach koi gscheide Frau!" (übersetzt: Ich finde einfach nicht die richtige Frau!). Lachend habe ich ich ihm geantwortet, dass das vielen Männern so geht. Bei genauerem Hinschauen hat er eine Playmobilfrau als Beifahrerin für den Porsche gesucht. Ans Steuer darf sie nicht denn: "Frauen sind fürs Porschefahren nicht geeinget!" Na toll. Und das, wo wir mit einer coolen Porschefahrerin im Haus wohnen. Aber sein Rollenverständnis ist sowieso etwas verwirrend. Neulich sagte er mir, dass er mal zehn Kinder haben will. (die Träume eines Einzelkindes!) Ich sage ihm, dass er dazu dann auch eine Frau braucht die zehn Kinder haben will. Er meint ohne zu zögern: "Dann kümmre ich mich halt um die Kinder und die Frau kocht." Hmmm. Interessant.


Dienstagmorgens freue ich mich immer auf Tines Blogeintrag. Diese Woche schreibt sie über ihren Küchentisch. Wie so oft berühren mit ihre Worte. Vielleicht auch weil ich an den Küchentisch in meinem Elternhaus denke, an dem auch so viel gelebt, erzählt, gestritten und gelacht wurde. Jetzt ist es still um ihn geworden. Bald werden wir ihn wohl schweren Herzens zum Sperrmüll tragen. Aber unsere Geschichten gehen weiter. An einem anderen kleinen Küchentisch. Vielleicht wird ihn Samuel eines Tages aussortieren. Und irgendwann, das ist meine Hoffnung, werden wir alle zusammen an einer herrlich langen Tafel Platz nehmen und Jesus wird die Familie versammeln. Essen ist fertig. Ach, an dem Tisch wird so eine große Freude sein!!!


Und wenn nun ENDLICH, hoffentlich, bald, die dunklen und kalten Abende kommen freue ich mich auf gemeinsame Dia-Abende im Wohnzimmer. Mein Papa hat kistenweise Dias aufgenommen. Die werde ich Heio und Samu vorführen und die Geschichten dazu erzählen; unter großer Dankbarkeit und ab und zu bestimmt mit Tränen in den Augen.


In Küche und Wohnzimmer stehen gerade auch wunderbare Blumen an denen ich mich freue. Unsere ältere Nachbarin hat so einen schönen Garten, den sie mit  viel Liebe pflegt. Immer wieder fängt sie Samuel nach der Schule ab und drückt ihm einen Strauß in die Hände. "Für die Mama, weil die Blumen doch so mag!" 



Und ich freue mich immer wenn ich gute Bücher neben dem Sofa liegen habe. Eins davon ist wearing GOD von Lauren Winner. Mit ihrem Schreiben über Gott öffnet sie immer wieder neue Räume. Die sind manchmal merkwürdig und manchmal wunderbar. Das Kapitel über das Feuer Gottes gehen mir tief ins Herz. Sie schreibt darin, dass bestimmte Pflanzen große Hitze benötigen damit ihre Samen aktiviert werden. Das ist zum Beispiel bei einigen Nadelbäumen so (auch bei den großen Mamutbäumen). Ihre festveklebten Zapfen öffnen sich erst durch das Feuer. Und die Samen können dann bis zu 150 Meter weit fliegen! Die Asche ist ein idealer Boden in dem diese Samen wurzeln können - ein richtiger Turbobeschleuniger -  und neues Leben hervorbringen. Feuer also nicht (nur) als Zerstörung sondern als Regeneration. Ich lese darüber auch bei Forstwirten und erfahre, dass die schöne Heidelandschaft vor allem durch Brände entstanden ist.  Früher wurden auch öfters kontrollierte Brände gelegt um neues Wachstum in den Wald zu bringen. Für mich ist dieses Bild wie ein verheissungsvoller Schatz über den ich mich, in einer nicht ganz so einfachen Zeit meines Lebens, freue.  Manches ersehnte Wachstum kommt nur durch solche Zeiten hervor (und vielleicht legt Gott tatsächlich ab und zu kontrollierte Brände ?!)




Und ach-  ich freue mich auf meine Lieblingsjahreszeit! Dieses Jahr ist sie so ersehnt wie noch nie. Der Herbst schmeckt nach gebratenen Kastanien, Apfel-Zimt-Kuchen, reifen Trauben und nach Kürbis-Kartoffelsuppe. Die werde ich heute kochen. Und dann bitten wir Jesus, wie jeden Tag, dass er an unserem Tisch Platz nimmt. Und er setzt sich dazu, wenn er eingeladen wird. An jeden unserer Tische. An die vollen und lauten Tafeln. Und an die stillen und die schmerzlich still gewordenen. An die vielleicht sogar besonders gerne. Vielleicht werde ich heute ein extra Gedeck auflegen. Und wenn Samuel dann erwartungsvoll danach fragt wer denn noch dabei ist, sage ich es ihm. Und dann zünden wir die Kerze an und freuen uns.



Montag, 1. Oktober 2018

Erntearbeit


Wir waren auf dem Stückle  der Schwiegermutter und haben die Apfelbäume abgeerntet. (für Nichtschwaben: das Stückle ist ein kleines Stück Land das man stolz sein Eigen nennt). Es waren unglaublich viele Äpfel an den Bäumen! Und es waren auch total VIELE BÄUME! Samuel, der öfters mit auf dem Stückle ist, kennt sich bestens aus. Er stellte mir die Bäume vor: Hier der Jakob Fischer. Dort der Kaiser Wilhelm. Und da hinten die Klara. Der empfindsame Jakob Fischer will hangepflückt werden, am Kaiser Wilhelm muss man kräftig schütteln und die Klara schlägt man mit viel Nachdruck vom Baum. (wenn ich mir das richtig gemerkt habe). Die ganze Familie war am Start. Der neue Schwager war total motiviert und hat super mit angepackt. Wir mussten ihn sogar davon abhalten, die Bäume auf dem verwahrlosten Stückle nebenan abzuernten. Wir haben geschwitzt, gelacht und Säcke befüllt, sind über faulige Äpfel gerutscht, haben den schmerzenden Rücken gerieben und zwischendurch im Schatten der Bäume Zwiebelkuchen gegessen. Zum Schluß wurde alles aufgeladen und zur Mosterei gefahren. Äpfel ausladen. In die Presse geben. Saftkisten einladen. Am Ende haben wir 300 Liter (!) feinsten Apfelsaft in der Garage gestapelt.Und noch einige handverlesen Kisten die auch auf ihre Verarbeitung warten (Die Männer des Hauses lieben Apfelmus!)






EIn Gedanke hat sich bei mir seither festgesetzt: Ernte ist Arbeit. Ja, es ist auch Segen. Und füllt Vorratskammer und Gläser bis zum nächsten Herbst. Aber es ist erstmal ganz schön viel Arbeit. Deshalb sind einige Stückle total verwildert. Was Opa und Oma vielleicht noch mit viel Liebe gepflanzt und gepflegt haben ist jetzt zu viel Mühe und  es ist niemand mehr da der die Ernte einbringen will. Die Äpfel verfaulen auf den Bäumen.

Vergangenes Wochenende hatten wir ein tolles Seminar in unserer Gemeinde. Am Ende hat die Referentin uns die Hände aufgelegt und für Fruchtbarkeit gebetet. Ein Leben das Frucht bringt. Eine Gemeinschaft die gute Früchte bringt. Das wünsche ich mir. Aber ich bin auch ein bisschen vorsichtig, so ein paar Tage nach unserer Apfelernte. Eine Ernte, so wunderbar sie auch ist, macht auch Arbeit. Und es braucht die Familie. Alleine schafft man das nicht. (und was für ein Segen sind motivierte, neue Familienmitglieder!)
Und ich denke an unsere derzeitige Lebenssituation. Zu Anfang des Jahres war ich so hoffnungsvoll. Ich dachte: Das wird ein Erntejahr! Und ich sah es schon vor mir, wie auf dem alten Gemälde, das lange Zeit in unserem Wohnzimmer hing: Wir sitzen zusammen unter den Bäumen und feiern und genießen die Ernte. Aber bisher war das Jahr ganz schön viel Mühe. An viele Tage hatte ich das Gefühl mit Gummistiefeln durch den Matsch zu laufen. Ich reibe mir die müden Knöchel und sage Jesus meine Enttäuschung und er flüstert mir zu:  Gib nicht auf! Ich weiß es ist mühsam, aber es ist auch eins deiner fruchtbarsten Jahre! 

Manchmal ist das Leben, dieses kleine Stück Land das unser ist,  mühsamer als man das erwartet hat. Die Ausbildung. Die Kindererziehung. Der Job. Die Beziehung. Die Gemeinde. Der Hauskreis. Das Projekt, das anfangs noch so gut lief. Und dann kommen noch Krankheiten oder andere Katastrophen dazu.  Eine Runde durch den Matsch. Und noch mal eine. Und manchmal ist es so schwer dranzubleiben. Den anderen nicht aufgeben. Sich selbst nicht aufgeben. Das Vertrauen auf Gott nicht aufgeben. Ehrlich, ich wünschte es wäre anders. Irgendwie einfacher. Aber vielleicht bringen die mühsamen Zeiten tatsächlich die verheissungsvolle Botschaft, dass wir gerade dabei sind eine reiche Ernte einzufahren. 
Wie gut wenn wir bis dahin zusammenhalten. Wenn wir uns immer mal wieder gegenseitig die schweren Kisten abnehmen und uns in den Schatten setzen und neue Kraft schöpfen.

Und dann: Erntedank. Festzeit. Gefüllte Gläser und eine volle Tafel. Heio war begeistert: So süß und fruchtig hat der Saft schon lange nicht mehr geschmeckt. Ein anstrengend heißer Sommer hat wunderbare Früchte hervorgebracht.