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Mittwoch, 11. November 2015

Life goes on without me.

Seit Mitte letzter Woche hat mich so ein richtig fieser Virus erwischt. Anstatt den "November-Sommer" zu genießen, liege ich hustend und schnupfend im abgedunkelten Schlafzimmer und versuche wieder zu Kräften zu kommen. Ich versuche auch die Nachbarn zu ignorieren die seit Tagen ihren supertollen Vorzeige-Streber-Garten winterfest machen (irgendwie macht es mich leicht agressiv -daneben sieht dann unser Garten nämlich noch chaotischer aus). 
Ich habe keine richtige Bett-Lektüre und Heio sieht seine Chance gekommen, mir endlich eins seiner Lieblingsbücher auf`s Auge zu drücken: Anna Karenina. Von Tolstoi. Den ich immer mit Tolkien verwechsle. Soviel zu meinen Kenntnissen über die Weltliteratur. 
 Mein Lieblingsmann ist überzeugt davon, dass ich dieses Buch lieben werde. Er weigert sich mir die guten Stellen vorzulesen. "Du mußt die Geschichte ganz durchlesen, sonst bringt es nichts", sagt er mir. Er hat mir sogar eine Übersicht mit allen beteiligten Personen gemacht. Das ist sehr hilfreich. Nicht nur weil so viele Namen im Buch vorkommen, sondern weil auch noch auf jeder dritten Seite eine andere Variation davon steht (so logische Abkürzungen wie Ljewin für Konstantin oder Stiwa für Stjephan). Netterweise wird meistens noch angegeben auf welcher Silbe man die Namen betonen soll (hallo- ich bin froh wenn ich weiß wer mit den Namen gemeint ist, soll ich auch noch lernen sie auszusprechen?).  Ich stolpere also mit vernebeltem Kopf durch die alte Geschichte von Zaren, Prinzessinen, Leibeignene und russischen Bauern die fröhlich unseren Nachbargarten umgraben. Eigentlich mag ich keine Historien-Bücher oder wie das heisst. Ich lese viel lieber aktuelle Romane. Aber langsam packt mich die Geschichte...

der Umschlag sieht aus wie ein Schundroman- finde ich:-)

Heios Spickzettel

Ach, so vieles wollte ich erledigen. Freunde treffen. Babybauchfotos machen. Einen Geburtstag und eine Party mitfeiern. Und das Wetter wäre ideal um die Bettwäsche zu waschen und den Balkon aufzuräumen... Aber wenn ich so richtig flach liege wie in diesen Tagen, dann merke ich, dass ganz viel von dem was ich denke was dringend sein MUß eben auch liegenbleiben kann.  Zuerst wehre ich mich noch dagegen, mache noch halbe Zusagen und fege schwitzend und hustend die Wohnung. Dann gebe ich auf. Ich merke: Besuche kann man auch verschieben. Freunde können auch andere wunderbare Menschen treffen. Mein Nicht-Erscheinen wird eine Party nicht zum erliegen bringen. Wenn ich keinen Blogeintrag schreibe, könnt ihr, meine geschätzten Leser, einfach auf eine andere Seite klicken um dort einen interessanten Text zu lesen. Und sogar Samu kann zeitweise erstaunlich gut ohne mich spielen und toben
Ja, die Welt dreht sich weiter. Ohne mich. Das weiß ich ja eigentlich, aber es ist gut und heilsam, wenn ich das ab und zu erlebe. Da ist nämlich irgendein "Christina-Gen" in mir das mir sonst ständig erzählt wie wichtig und unersetzbar ich bin und mich antreibt- solange bis ich in`s Bett falle und wieder merke, dass es auch ohne mich geht.

der Garten wird - ganz ohne mich- gefegt (gut, ich hätte es natürlich besser gemacht:-))
 Ich glaube ab und zu ist es gut sich bewusst zu machen, dass diese Welt sich gedreht hat bevor wir geboren wurden und auch nachdem wir hier waren wird es weitergehen (es sei den Jesus kommt vorher wieder :-))  
Wir sind heute nur ein kleiner Teil der großen und ewigen Geschichte die Gott mit uns Menschen schreibt. Der Gott, der schon  lange vor mir war und der heute da ist und immer da sein sein wird. Irgendwann sind unsere Geschichten auf dieser Erde alle "History-Romane" in denen andere vielleicht noch eine zeitlang lesen, aber über die wieder neue Geschichten geschrieben werden. Meine Hoffnung liegt darin, dass ich Teil der großen Geschichte Gottes sein darf. Dass er meinen Namen nicht vergißt. Dass er ihn am Ende voller Liebe sagen und ihn so aussprechen wird, dass ich genau weiß: unter den zig Tausend Christinas der Geschichte, meint er jetzt mich.  

Vielleicht hört sich das alles ein bisschen fatalistisch an -vielleicht hat mich ja die Schwermut der russichen Seele gepackt. Aber je älter ich werde, umso mehr merke ich: es ist wichtig für mich zu erleben, dass Dinge auch nach mir weitergehen. Dass mein Bezugskind auch nach meiner Kündigung wieder eine tolle Betreuerin hat. Dass eine frühere Freundin jetzt eine andere enge Vertraute hat. Dass in der Gemeinde die Lücken geschlossen werden, wo ich einen Schritt zurückgemacht habe. (Wie ich in unserer Gemeindeleitung war und mich total aufgerieben habe sagte ein kluger  Freund zu mir: "Christina, glaub doch nicht dass du den Laden aufräumen mußt, wenn 2000 Jahre Kirchengeschichte nicht dazu gereicht haben." Das hat mir geholfen:-)).
Wenn ich ab und zu ein bisschen darüber nachdenke (und es auch erlebe) dass das Leben ohne mich weiter geht, kann es mich mit heiterer Gelassenheit erfüllen. Mit Demut.  
 Und es kann ein bisschen den Druck rausnehmen aus meinen Tagen an denen ich oft alles schaffen, klären und erledigen will. (von der heiteren Gelassenheit bin ich leider noch meilenweit entfernt- das kann euch mein Mann bestätigen. Aber ich arbeite dran!)
  Ich bin Teil einer viel größeren Geschichte. Heute kann ich meinen kleinen Teil geben. Und mich an den Dingen unserer kaputten und doch immer noch so wunderbaren Erde freuen. Da sein. Erledigen was geht und liegenlassen was nicht geht (zur Not für die nächste Generation:-)). Ich will lernen meine Pläne und mich selbst nicht ganz so wichtig nehmen.  Tief Luft holen. Mich umschauen. Ein uns ausatmen. Das Leben wahrnehmen. Und mich einfach freuen, dass ich heute dabei sein darf.

unsere schöne,vergängliche Welt.

11 Kommentare:

  1. Wunderbar ehrlich - liege heute mit Magenschleimhautentzündung darnieder und da hat der Text jetzt sehr gut getan...Gute Besserung.
    Grüße. Tabea

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    1. Ach Danke, Tabea. Wünsche Dir auch gute Besserung für den Magen! Liebste Grüße von Bett zu Bett :-)

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  2. Ich kann mitmachen im Krankheits-Wettbieten, ich hab nen Tennisarm.
    Und was soll ich sagen ...
    es stimmt. du hast recht.

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    1. Hey, du spielst Tennis? Blöder Scherz, ich weiß. Du Arme, das tut weh. Und da hilft alles nichts: ruhig halten und andere den Boden umgraben lassen. Trink ne Tasse Kräutertee auf Dich... Liebste Grüße zu Dir!

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  3. Meine Liebste,
    als ich nach einer OP vor 8 Jahren drei Wochen lang völlig ausgeknockt war, las ich auch Anna Karenina. War ich stolz drauf, dass ich den Schinken geschafft hatte. Da muss man sich anfangs echt durchbeißen. In den drei Wochen fiel ich als wichtige Mitarbeiterin aus. War überhaupt kein Drama, die Konferenz (auf der ich mitarbeiten sollte) fand ohne mich statt. Nimm den Druck raus und genieße es, dass du nichts tun musst. Gute Besserung!
    Veronika

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    1. Hey, du hast es also auch schon gelesen, alte Streberin;-). Hoffe dass sich der Schinken noch als ein guter rausstellt - mir hängen die Jagdgeschichten und rusissche Wahlverfahren schon ein bisschen zum Hals raus. Ich bin wahrscheinlich zu blöd um die Tiefe des Buches zu verstehen:-). Ach schade dass wir uns nciht sehen können...LG zu EUch!!!

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  4. Anna Karenina! Mein Lieblingsbuch! Aber das mit vermutlich leicht vernebeltem Hirn und und müdem Kopf zu lesen, ist vielleicht auch nicht immer schön. Der Spickzettel ist sicher praktisch, ich weiß noch genau, wie mich die Kosenamen anfangs verwirrt haben. Aber das Buch ist wirklich großartig! Ach ja, und wenn du mal seichtere Lektüre brauchst, sag Bescheid! In meinem Bücherregal wird sich bestimmt was für dich finden :-)
    Weiterhin gute Besserung!

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    1. Haha, liebe Mathilda- ich glaube du wärst eine der letzten bei der ich nach seichter Lektüre fragen würde;-). Aber dein Bücherregal würde ich mir tatsächlich mal gerne anschauen! Bin sicher, dass ich da einige Schätze finde würde . LG!!!!

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    2. Gut, ich gebe zu, alles, was nicht Lieblingsbuch- oder Klassikerpotential hat, fliegt nach dem Lesen auch schnell wieder raus... doch ich habe auch eine kleine, aber feine Ecke für Trivialliteratur. Bei Büchern tu ich mich aber echt schwer mit der Frage nach Behalten oder Weitergeben. Komm einfach mal vorbei und gucks dir an :)

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  5. Also alle Daumen hoch für Heio und den Spickzettel!!! Das nenne ich mal ECHTEN Einsatz :-)
    Und gute Besserung an dich!

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    1. Ja, so ist er, der Heio(aber jeden Feitag Blumen würde mir auch gut gefallen:-)).
      Danke für die Besserungswünsche - liebste Grüße zurück!!!

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