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Donnerstag, 28. April 2022

Auf das, was war! Und das, was kommt!

Der April ist unser Feiermonat. Ostern ist grade mal um die Ecke gebogen da folgt auch schon ein Geburtstag nach dem anderen. Passend dazu findet draußen, wie in jedem Jahr, eine herrlich große Frühlingsparty statt und die Blütenblätter fallen wie Graffitiregen von den Bäumen. 
Heute räume ich die Sektgläser wieder in den Schrank, befülle die Waschmaschine und schüttle die Kuchenkrümel aus der weißen, bestickten Leinendecke, die ich von meiner Oma geerbt habe. Dann lege ich sie nochmal über den ausgezogenen Tisch und betrachte dankbar die Kaffeeflecken neben den gestopften Stellen. Ob man das so sagt: Gestopft? Oder ist das schwäbisch? Bei der Internetsuche nach dem richtigen Begriff werde ich von dem schönen Wort "Bügel-Ei" abgelenkt. Sofort sehe dieses kleine Teil aus Holz vor mir, mit dem meine Oma ganz oft sockenstopfend auf dem Sofa saß. Ich muß zugeben, dass ich meistens die kaputten Socken von meinem Kind wegwerfe - allerdings erst dann wenn die Löcher bereits so groß sind, dass bereits der gesamte Fuß durchpasst - mitsamt dem Bügel-Ei! 
Aber zurück zur Tischdecke: Ich mag diesen Anblick. Die Kaffeeflecken und ein Blumenstrauß in der Mitte, der an das vergangene Fest erinnert.  Vielleicht weil ich dabei  an die große Tafel im Wohnzimmer meiner Oma denken muß (ihr Geburtstag liegt auch im April!). Noch  Tage nach ihrem Ehrentag war auf dem langen Esstisch im Wohzimmer die Festdecke ausgebreitet und ein herrlicher Fliederstrauß stand mitten auf dem Tisch. Daneben, auf dem alten Schreibtisch, waren die Geschenkkörbe, mit einer goldenen hohen Zahl in der Mitte, in denen neben so unbrauchbaren Dingen wie Kaffee, Dosenmilch und Wurstdosen auch Katzenzungen, Kekse und Aftereight-Packungen lagen. Letztere haben meine Schwester und ich dann andächtig, neben der Oma auf dem Sofa sitzend, verzehrt, den Fliedergeruch in der Nase und die weiße Tischdecke mit den eingetrockneten Kaffeeflecken vor Augen. 
Und jetzt, wo ich darüber schreibe, winkt da ganz hinten in  meinen Kopf eine Bibelstelle. Nach erneuter Suche, dieses Mal in meiner Konkordanz, habe ich sie gefunden. Sie steht im Hebräerbrief. Dort wird beschrieben, dass Gott alles geschaffen hat. Himmel und Erde. Diese ganze vergängliche und wunderbare Pracht die uns umgibt. Und dass er am Ende die ganze Schöpfung wie ein altes Tuch, oder ein abgetragenes Kleid, zusammenrollen wird. (Hebräer1,11). Ich mag dieses Bild (und will damit nicht sagen, dass man die Schöpfung nicht schützen und bewahren soll!). Es hat etwas Tröstliches für mich: Dass Gott diese alte Erde am Ende ihrer Tage - wenn sie so viele Risse und Flecken und Ozonlöcher hat, dass kein Stopfen mehr etwas nützen würde! - in die Hand nehmen und sie wie ein gebrauchtes Tuch aufschütteln wird. Und dann, so hoffe ich, wird der ewig reiche Gott ein neues Tuch ausbreiten und die Schöpfung wird jubeln und Graiffi regnen lassen und der letzte und älteste Tag  wird zugleich der jüngste  und erste Schöpfungstag sein.
Ihr merkt: Diese April-Geburtstage machen mich auch immer ein bisschen melancholisch. Oder eher: nachdenklich. Weil die Jahreszahlen langsam mit einer Geschwindgkeit wechseln, als flögen wir davon (Psalm 90,10). Und in nicht allzuferner Zukunft werde ich vielleicht meinen ersten Geschenkkorb bekommen mit einer goldenen Zahl in der Mitte ;-).  
Und so sitze ich hier und betrachte dankbar das kaffeebefleckte Tischtuch. Ich denke an alles was war. An die schönen Feste die wir gefeiert haben. An die wundrbaren Menschen die am Tisch Platz genommen haben. Und ich freue mich an der Blumenpracht und dieser ganzen vergänglichen Schönheit, die mich hier und heute umgibt. Und es packt mich auch die Frühlingsvorfreude auf alles, was kommt. Nicht nur im neuen Lebensjahr sondern weit darüber hinaus...
Heute, an ihrem Geburtstag, denke ich an meine Oma. Wie dankbar ich für ihr Leben bin. Sie hat ihren Kindern und Enkelkindern (und noch einigen mehr!) ihre Liebe zu Jesus weitergegeben. Was für ein bleibender Schatz! Wie gerne würde ich sie heute dafür drücken und die kleine Frau dabei hochheben, wie ich es als Teenager so gerne mit ihr gemacht habe und sagen: Danke, Oma! Und: Lass uns feiern! Auf das, was war und auf alles was kommt und ewig bleibt! 
Die Welt riecht nach Flieder und die Blütenblätter regnen von den Bäumen und ich denke mich voraus, wenn wir wieder zusammen feiern werden... 
 
Ein Hoch auf das Leben!!!!

 







Donnerstag, 14. April 2022

Rundwege an Ostern

Es ist Donnerstag vor Ostern. Das Brot fürs heutige Abendmahl habe ich gerade in den Ofen geschoben. Morgen werden wir  dann, wie in den letzten Jahren, zu dem kleinen Wäldchen ganz in der Nähe laufen und drei kleine Kreuze aus Zweigen aufstellen, daneben ein Moosgrab vor das wir einen Stein legen. 

 

 Am Nachmittag machen wir uns dann, wie in jedem Jahr, mit unseren Weggefährten auf den Weg zum Birkenkopf, um dort an dem großen Kreuz, das zwischen denTrümmern des zweiten Weltkriegs steht, an den Gott zu denken, der uns so sehr liebt, dass er für uns gestorben ist.


 

Am Samstag werde ich Kuchen backen und Blumen einkaufen und mich mit meinen liebsten Menschen streiten und versöhnen - wie in jedem Jahr.

Wenn dann der Ostersonntag endlich da ist werden wir ganz früh ins Wäldchen laufen und den Stein vor dem Moosgrab wegnehmen, ein schiefes Halleluja singen - und alle Vögel und Hasen damit erschrecken - und auf dem Rückweg  "Der Herr ist auferstanden" auf die Straße malen.  

 

Dann nehmen wir Kuchen und Blumen und Festgirlanden und machen uns auf den Weg zum Osterbrunch in unsere Gemeinde. Die Kinder werden wie immer wie wild um die Tafel rennen während wir einander Kaffee einschenken und alles Gute genießen was wir zusammengetragen haben. Und dann hören wir wieder die vertraute Geschichte von einem leeren Grab. Von einer unerwarteten Wendung. Vom glücklichen Lachen nach schweren Tagen.

 

Diese Tage sind für mich wie vertraute Stationen eines Rundwegs, an dem wir Jahr für Jahr vorbeikommen. Manchmal kommen wir erleichert oder glücklich an, manchmal traurig oder nachdenklich. In manchen Jahren haben sich die Umstände schmerzhaft verändert und manchmal so, dass wir nur voller Freude staunen können... 
 
Ich mag diesen Gedanken, dass vieles im Leben wie ein Rundweg zu verstehen ist. Dass es nicht in erster Linie darum geht irgendwo anzukommen, oder es "geschafft" zu haben.  Es muß auch nicht immer weiter und höher hinaus gehen oder bei jeder Runde besser werden. Wir dürfen einfach zurückkehren. Zum Teilen. Zum Erinnern. Zum Feiern. Zu  den bekannten Orten, mit den vertrauten Bildern und Geschichten.

In diesem Jahr werde ich ziemlich müde ankommen. Aber auch dankbar. Dankbar für diese beste und schönste Geschichte, die mir wieder Mut macht für die nächste Runde und mich hoffen lässt, dass bei der letzten großen Wiederkehr eine unfassbare Festtafel und eine große Umarmung auf uns wartet.
 
Gesegnete Ostertage euch allen!!!!
 



Mittwoch, 6. April 2022

Das Dunkel aushalten

Gestern stand ich in einer Grabhöhle und habe mich geärgert. Also nicht in einer wirklich echten Grabhöhle, aber im toll gebauten Grabgang vom Stuttgarter Ostergarten. Der dunkle Übergang vom Kreuz bis zur blühenden Auferstehungslandschaft. Ich habe als Requisiteurin zwei Führungen begleitet, was bedeutet: Ich schaue, dass alle zur nächsten Station mitkommen, schließe Tore und Vorhänge, schalte die Hintergrundgeräusche wieder ein und komme folglich immer als Letzte an. Während ich also die Grabhöhle betrete höre ich den Reiseleiter schon rufen: "Der Herr ist auferstanden!" Und in mir sträubt sich alles dagegen! Weil ich gerade erst am Kreuz vorbei bin. Weil ich noch im Dunkel stehe und noch nicht mal an den Tüchern mit den Worten: "Er ist nicht hier" vorbeigekommen bin. 
Natürlich ist das jetzt nicht wirklich ein Fehler vom Ostergarten. Es gehört einfach zu meiner Aufgabe in diesem hellen Raum als Letzte anzukommen. Aber mich beschäftigt das Ganze immer noch. Weil es eine Ebene tiefer gelandet ist. Und ich darüber nachdenke ob wir Jesusnachfolger das immer wieder mal machen (und ich schließe mich selbst damit ein!):  Ob wir uns gegenseitig nicht zu wenig Zeit geben - für das Suchen im Dunkel. Für die Zweifel. Die Trauer. Den Schmerz. Die ungelösten Fragen. Ob wir nicht oft viel zu schnell durch dunkle Räume gehen und schon eilig die Osterbotschaft rufen, während sich die Hälfte unserer Reisegruppe noch an den Grabwänden entlangtastet.
Ich muß an die Worte von Ester Maria Magnis denken:
Unser Glaube hat in sich das Wissen um den ganzen Dreck der Welt. Er hat einen Schrecken. So wie diese Welt. Und dann erst kommt die frohe Botschaft.
In diesen Tagen vor Ostern spüren wir etwas von dem Schrecken dieser Welt. Wir sehen verstörende Bilder aus ukrainischen Dörfern und fassen nicht, was Menschen Menschen antun können. Und zusätzlich gehen viele durch ihre ganz persönliche Nöte. In meinem Umfeld zerbrechen Ehen, kämpfen Freunde mit den Folgen ihrer schweren Vergangenheit, während andere Schmerzen ertragen müssen oder vor Sorge um ihre Kinder nicht in den Schlaf finden. Da kann man manchmal nur schweigend daneben stehen. Das muss man mal aushalten. Und das fällt mir oft so schwer.
Ich finde Gott hält so viel aus. Er hält uns Menschen aus. Er hält unsere Fragen aus. Die Verwünschungen, die wir ihm im Dunkel entgegenschleudern. Der Gott, der Wunden trägt. Der seinen Sohn in die Hände von Folterknechten gab. Jesus. Der Schmerzen ertrug. Der keine Abkürzungen ins Licht nahm. Der verzweifelt schrie: "Warum Gott, hast du mich verlassen?" Der zwei Tage im Grab blieb. Und dann, am dritten Tag, ganz liebevoll, ganz persönlich seinen Jüngern begegnet ist und es ganz langsam bei ihnen ankam, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist.
Und auch das habe ich gestern im Ostergarten gespürt: es ist die beste Geschichte, die man erzählen kann! Das gilt besonders dann, wenn man sich Zeit für die einzelnen Kapitel lässt und nicht vorzeitig zum guten Ende springt (wie ich das als Kind immer bei den Büchern getan habe, wenn ich die Spannung kaum noch ertragen konnte).

Es sind noch ein paar Tage bis Ostern.

Nehmen wir uns Zeit.

Gehen wir durch die düsteren Räume der Geschichte.

Gethsemane.Golgatha.

Die Kämpfe. Die Einsamkeit. Der Schmerz.

Halten wir in diesen Tagen das Dunkel zusammen aus.

Dann erst kommt die frohe Botschaft.