Das war eine merkwürdige Stimmung, in den letzten Tagen: Der Himmel war gelblich rot und am frühen Nachmittag mussten wir schon die Lampen in der Wohnung anschalten, weil es draußen so düster wurde. Und beim Abendspaziergang staunte ich über den Saharastaub, der die Autos in Wüstenfahrzeuge verwandelt hat . Ich war heute mit unserem Auto in der Waschanlage, weil ich kaum mehr durchs Fenster sehen konnte. Ich fürchte es war zu früh! Die Wüste weht weiter in unsere Richtung...
Passend zur Umgebung bereite ich gerade die Predigt für Sonntag vor: Elia, in der Wüste. Ein müder, ausgebrannter Prophet, der über seine Kraft gegangen ist und am liebsten sterben würde. Und Gott schickt ihm einen Engel, der Wasser und frisch gebackenes Ciabatti bringt und ihn in Ruhe schlafen lässt, bevor er ihn noch einmal weckt, zum zweiten Frühstück, mit den Worten:
»Steh auf, Elia, und iss! Sonst
schaffst du den langen Weg nicht, der vor dir liegt.« (1.Könige19,7)
Vor kurzem hat meine Weggefährtin Anne einen wunderbaren Blopost über diese Geschichte geschrieben. Sie beschreibt darin, dass sie etwas sehr geistliches getan hat: Sie hat sich auf den Sofa gelegt, nach dem ihre zwei Jungs im Kindergarten und Schule waren, und dann hat sie ein Schläfchen gemacht. Danach hat sie in Ruhe einen Kaffee getrunken und ein Marmeladebrot gegessen. Sie schreibt dazu: Manchmal da schenkt uns Gott einfach einen langen Mittagsschlaf und die Welt sieht ein bisschen weniger grau aus. Da kann ich ihr nur von Herzen zustimmen! In Zeiten in denen wir sehr herausgefordert sind, emotional, geistlich oder körperlich, ist es wichtig, dass wir die einfachen Dinge nicht vergessen: Ausreichend essen und trinken. Rechtzeitig ins Bett gehen. Nach draußen gehen und die Natur genießen (auch wenn Wüstenstaub drüber liegt). Mit Freunden reden und beten. In die Badwanne liegen oder einen Mittagsschlaf einlegen. Über die Kinder mehr lachen als sich über sie aufregen. Und seinem Spiegelbild ein barmherziges Lächeln schenken.
Ich bin versucht zu denken, dass das alles doch nicht so wirklich geistlich ist! Gerade jetzt sollten wir doch eigentlich Nächte durchbeten, Flüchtlinge aufnehmen, gegen den Krieg demonstrieren, Hilfstransporte organisieren und uns nebenher noch liebevoll um die Kinder kümmern und das Auto in die Waschanlage fahren. Aber allein schon der Gedanke an das alles erschöpft mich genug, dass ich ein Schläfchen halten will!
Immer wenn ich mich so ganz überfordert fühle und in Gefahr bin loszulegen und meine Grenzen zu ignorieren, dann muß ich an die Sicherheitsanweisungen im Fluzeug denken. Nicht an diese lächerlich kleine Trillerpfeife, die uns angeblich helfen soll, wenn wir mitten im offenen Ozean treiben (ich fürchte die zieht höchstens die Aufmerksamkeit von Haifischen auf sich!), sondern ich denke an die Sauerstoffmasken die bei Druckabfall aus der Kabinendecke fallen. Jedesmal ist das wie ein Reden Gottes zu mir, wenn wir freundlich darauf hingewiesen werden in so einem Fall ZUERST die Maske über unser Gesicht zu ziehen, bevor wir dem Kind oder einem anderen hilfsbedürftigen Menschen helfen. Was durchaus Sinn macht, wenn man kurz darüber nachdenkt. Tue ich das nämlich nicht, kann es passieren, dass mir beim Helfen ganz schnell die Luft ausgeht und ich selbst zu einem Notfall werde.
Gott weiß das. Er ist unsere Schöpfer. Er kennt unsere Grenzen. Die Grenzen unserer Fähigkeiten. Unseres Körpers. Unseres Geistes. Unserer Tragfähigkeit. Und ganz oft geht es im Leben nicht um eine Hau-Ruck-Aktion, sondern um Herausforderungen die sich über eine längere Strecke ziehen. Klug ist der, der nicht unvorbereitet losrennt und nach der erste Etappe in der Wüste zusammenbricht, nachdem er gemerkt hat, dass er seine Wasserflasche Zuhause vergessen hat. Wie gut, dass unser liebevoller Gott dann ein paar Engel beauftragt, die Trinkflasche und Pausenbrote nachzubringen.
In schwierigen Zeiten merke ich immer wieder, dass meine "Ideal-Christina" vor mir auftaucht. Dieses tolle Bild, wie ich gerne wäre. Was ich alles machen würde und worüber ich dann hier, für euch, berichten könnte. So ganz nebenbei. Und völlig demütig natürlich:-). Anselm Grün schreibt so klug darüber:
Demut meint den Mut zur Wahrheit, den Mut hinabzusteigen in die Realität unseres Leibes und unserer Seele, in die Realität unserer psychischen Konstitution.
Immer wieder muß ich das: Hinabsteigen. In meine Realität. Schauen was möglich ist. Und meiner, vom Schöpfer geschenkten, Wirklichkeit gerecht zu werden, das zu leben, was Gott allein mir zutraut und zumutet. (Anselm Grün in: Gut mit sich selbst umgehen).
Und manchmal ruft er mich auch über meine Grenzen hinaus. Manchmal wächst auch die Kraft mit dem Ziel und ich merke erstaunt, dass ich, von Gott gestärkt, viel weiter gehen kann als ich dachte! Und da gefällt mir dieses Gedicht von Erich Fried so sehr. Weil es mir Mut macht, immer mal wieder etwas Neues zu wagen. Hinkend an der Hand von Jesus, der den schweren Versorgungsrucksack trägt! Und nicht vor lauter Sorge vor dem erneuten Ausbrennen, das Leuchten lieber ganz einzustellen:
Auch ungelebtes Leben
Geht zu Ende.
Zwar vielleicht langsamer
Wie eine Batterie
In einer Taschenlampe
Die keiner benutzt
Aber das hilft nicht viel:
Wenn man
(sagen wir einmal)
diese Taschenlampe
Nach soundsovielen Jahren
Anknipsen will
Kommt kein Atemzug Licht mehr heraus
Und wenn du sie aufmachst
Findest du nur deine Knochen
Und falls du Pech hast
Auch diese schon ganz zerfressen.
Da hättest du
Genauso gut
Leuchten können.
(Erich Fried)