Neulich habe ich mir Kirschblütenzweige gekauft. Ich weiß - Zweige sollte man sich eigentlich nicht kaufen. Heio hat auch nur verzweifelt den Kopf geschüttelt. Aber hey: wir wohnen in der Stadt. Und da sind Kirschbäume was besonderes! Da bricht man nicht einfach mal so die Zweige ab. Und außerdem hatte ich den Eindruck Gott wollte, dass ich die Zweige kaufe. (das war das Totschlag-Argument für Heio :-)) Ich hab sie in unsere schönste Gießkanne gestellt und Gott versprochen, dass ich solange versuchen werde still zu halten, bis die Blüten aufgehen. Weil ich nämlich gemerkt habe: Es fällt mir gerade so schwer still zu halten. Ich möchte am liebsten gleich ein neues Buch schreiben, oder dem Manuskript noch wichtiges hinzufügen (nachdem mir der Verlag noch 20 Seiten mehr als geplant zugesichert hat) oder einen tollen Artikel schreiben oder wichtige Gedanken bloggen. Und da höre ich den Satz: If you don`t know how to stop, you better stop. Und ich weiß: das ist für mich. Ich muß dringend einfach mal still halten. Loslassen.
Also, Stift aus der Hand. Computer runterfahren. Ich kaufe die Zweige und hoffe, dass die Blüten bald aufgehen. Die nette Frau im Blumenladen sagte mir, das dauert so zwei bis drei Tage. Ich klebe noch einen klugen Satz auf die Kanne und warte. Zwei bis drei Tage - das schaffe ich.
Ich stelle die Zweige in die Sonne. Rücke sie in die Nähe der Heizung. Aber nichts passiert. Ich putze die Wohnung, spiele mit Samu und schaue immer mal wieder zu meinen Zweigen - es tut sich NICHTS. Tagelang! Vielleicht funktioniert es nicht? Vielleicht sind es japanische Kirschzweige, die nur in Japan blühen? Ich werde NIE WIEDER schreiben! Ich sollte die Zweige umtauschen und blühende kaufen. Ob Gott damit einverstanden ist? Ob es helfen würde die Knospen ein bischen anzustechen oder Zucker ins Wasser zu tun? Ich lasse es. Alles. Und warte.
Die Blüten zeigen sich also erstmal nicht, stattdessen kommt Besuch. Und zwar die Kollegen die immer auftauchen wenn ich mal zur Ruhe kommen will:
Da kommt die hektisch, dünne Dame "Rastlos". Sie rennt durch alle Zimmer, schreibt unaufhörlich to-do-Listen, mäckelt an allem rum und sagt mir was dringend erledigt werden muß. Das geht ein paar Tage so, dann gibt sie auf und reist überstürzt ab. Gegen sie ist kein Mittel gewachsen. Man kann ihren Besuch einfach nur aussitzen im Wissen, dass sie wieder verschwindet.
Anders ist es bei den Kollegen "Angst und Sorge". Sie lagen bisher nur unter Kopfkissen und durften mich am Abend und in den Träumen ein bisschen stören. Jetzt sehen sie ihre Chance gekommen und machen sich mit ihren finsteren "Was-wenn...Gedanken" breit.
Was, wenn sich der Gesundheitszustand meiner Mutter weiter verschlechtert und sie Pflege benötigt? Wie schaffen wir das? Wird die Kraft reichen?
Was, wenn das mit dem Schreiben jetzt der Endpunkt war? Sollte ich mir nicht doch wieder einen "richtigen Job" suchen?
Was wenn alles nicht gut genug ist was ich tue und bin?
Was wenn Samu und Heio was schlimmes passiert?
Was wenn ich Opfer von einem Identitätsklau werde und jemand in meinem Namen Verbrechen begeht und mich Nachts ein schwerbewaffnetes Sondereinsatzkommando aus dem Bett holt? (eindeutig zu viele Krimis und zu viel Phantasie, ich weiß!)
Und da höre ich, während ich Samus Zimmer ausmiste, eine Predigt von Hans Peter Royer. Er redet über unsere Ängste und das Sorgenmachen und seine Antwort darauf trifft mir mitten in`s Herz: DAFÜR HABE ICH JESUS. Genau. Ich lese noch einmal jede Sorge, lasse jeden ängstlichen Gedanken zu und sage mir: Dafür habe ich Jesus! Und ich spüre wie Jesus mich anlächelt und mir sagt: Ja, dafür hast du mich.
Und ich lege ein paar Zettel in meine "EdJe-Box." Die Idee habe ich von meiner Schwester und die hat sie von Maria Prean. EdJe heisst: Etwas das Jesus erledigt. Das kommt in die Box. Mit einem Gebet: Danke Jesus, dass du dich darum kümmerst. Jetzt lasse ich es bei dir. Und damit verschwinden die Ängste und Sorgen wieder unterm Kopfkissen.
Und noch ein Besucher hat sich in der Stille breit gemacht. Es ist der Wichtigtuer. In meiner Vorstellung spricht er mit breitem texanischen Akzent und sagte mir: "Hey, die Welt da draußen braucht dich! Du bist wichtig! Du kannst nicht einfach Zuhause sitzen und warten bis die Blüten aufgehen." Dieser Typ verzieht sich dann, wenn ich Lobpreis mache. Oder wenn ich das alte Gebet laut ausspreche: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heilige Geist. Wie es war im Anfang, jetzt und immer dar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Die Worte erinnern mich daran, dass ich nicht so wichtig bin wie ich das oft denke. Das die Welt vor meiner Geburt existiert hat und aller Wahrscheinlichkeit auch nach meinem irdischen Leben alles so weiter gehen wird. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Das muß ich mir ab und zu vor Augen halten. Ich halte still um dem Wichtigtuer in mir ein bisschen die Luft raus zu lassen.
Und dann sind sie endlich weg. Die ungeliebten Besucher. Und der scheue Gast kommt endlich zu mir an den Tisch: die Stille kehrt ein.
Frieden.
Ich entspanne mich. Helfe Heio im Garten. Und während wir säen und Unkraut rausreissen erinnere ich mich daran, dass es mit dem Reich Gottes ist, wie mit der still wachsende Saat. Wir geben unseren kleinen Teil in die Erde und dann sitzen wir mit dem Feierabendbier auf der Bank und blicken über die Felder und vertrauen entspannt darauf, dass Gott das Wachstum schenkt. Ganz ohne unser zutun.
Wir machen einen Ausflug auf die schöne schwäbische Alb und genießen Stockbrot und Sonnenuntergang. Wie schön hat Gott die Welt gemacht! (und ganz ohne meine Hilfe, haha)
Ehe die Sonne untergeht,
ehe der Tag verweht,
kehre ich heim zu dir
und falle in deine Arme.
J.BleiUnd dann sind sie plötzlich da: die Blüten! Ich hab sie nicht aufgehen sehen. Still und leise sind sie einfach da. Ich staune und freue mich und spüre Gottes Lächeln. Sein: ICH BIN DA. Ich bringe Dinge zum Blühen, ganz ohne dein zutun. Dafür hast du mich. Und ich lächle entspannt zurück und sage: "Ja, Jesus, dafür habe ich dich." Und dann bin still.