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Dienstag, 21. Februar 2017

Höhenluft und Friede

Seit gestern Abend regnet es - eine Wohltat für die Natur und die feinstaubverschmutzte Luft in Stuttgart! (und ich hoffe mein Kopfschmerz, der mich seit Tagen plagt, wird auch mit "abgewaschen")

Letzte Woche war noch strahlendes Wetter und Heio hat mich überredet mit ihm auf die schwäbische Alb zu fahren. Er wollte einen Golfgutschein einlösen und er meinte ich könnte mal wieder zu meiner Lieblingsbank, "meinen Ort" an den ich jahrelang regelmässig kam um zur Ruhe zu kommen und auf Gott zu hören. Aber das hat schon länger nicht mehr geklappt. Das letzte Mal ist tatsächlich schon zwei Jahre her! (ich habe hier darüber berichtet) Aber jetzt: die Chance! Widerwillig bin ich mitgefahren. Es gibt schließlich so viel zu tun! Eigentlich kann ich mir so einen Ausflug doch gar nicht leisten, dachte ich. Auf der Fahrt drängelten in meinem Kopf sämtliche Wichtigtuer um mir zu sagen, dass das doch gar nicht geht. Dazu kam ein Streitgespräch mit Heio (ich kann so gemein sein, wenn ich innerlich angespannt bin!) und ich wollte am liebsten wieder umkehren. 
Nachdem ich Heio am Golfplatz abgeladen hatte fuhr ich zum Breitenstein und schrieb auf dem Parkplatz erstmal eine Entschuldigungs-SMS an den Mann. Dann lief ich zum Albtrauf und - es war wunderschön! Der Ärger und die innere Unruhe fielen von mir ab. Ich atmete die frische Luft, genoß den Ausblick und lief bis zu meiner Bank, die dieses Mal sogar frei war! 




 Dann tat ich was ich immer zuerst tue: Vespern! (für alle Nicht-Schwaben: essen) Und dann: Nahrung für die Seele. Die Losung war so passend


Durstig, mühselig, beladen...alles das war ich.
Und dann erlebte ich, was ich nicht immer dort oben erlebe, aber worauf ich jedes Mal hoffe: Ein tiefer Friede. Wie eine innige Umarmung Gottes.  Mir liefen die Tränen übers Gesicht und ich konnte nur noch sagen: "Ach, du hast mir so gefehlt!" Und ich hatte den Eindruck genau das hat Gott auch zu mir gesagt.
Ich glaube Gott vermisst uns. Und - auch wenn wir das nicht immer so direkt spüren - wir vermissen Gott. Manchmal auch an den Orten, an denen wir ihn sonst immer gefunden haben. Manchmal sind wir ganz lange Zeit Getriebene, Suchende und Durstige. Und dann taucht er plötzlich wieder auf und schenkt uns ein bisschen von sich. Und wir merken was uns gefehlt hat.

Ich meine es war Augustinus der gesagt hat: 
 Gott gibt viele Gaben, aber vor allem ist Gott der, der uns Gott gibt.

Aber das erleben wir ja nicht immer. Manchmal ist er verborgen  in unserem Sehnen und Suchen nach ihm. Manchmal gehen wir an ihm vorbei, weil wir ihn nicht erkennen. Und dann schenkt er Momente, in denen er uns auffüllt wie ein leeres Gefäß mit Wasser. So einen Moment hatte ich auf  meiner Bank.  
Ich hab auf das Tal hinutergeschaut, den Dunst und die schlechte Luft in der ich mich sonst so bewege - oft so angetrieben, von Dingen die mir so wichtig scheinen, aber eigentlich nicht so wichtig sind. Ein sauberer Küchenboden zum Beispiel. Oder die Werbung für mein neues Buch.  Lass los und lass Gott - das hören Anonyme Alkohoiker ständig. Lass die Dinge los, die du sowieso nicht kontrollieren kannst. Menschen. Situationen. Befürchtungen. In der feinstaubverseuchten Luft Stuttgarts fällt mir das alles oft so schwer. Manchmal hilft es auf einen Berg zu steigen. Oder einfach in eine ruhige Gegend zu gehen. Jesus hat das ja auch immer wieder getan. Sich aus dem ganzen Trubel rausgezogen. (und wenn einer hätte sagen können: "Es gibt so viel wichtiges zu tun!" dann doch er!) Es heisst er zog sich in einsame Gegenden zurück um zu beten
Dazu schreibt Lauren Winner:

Was macht eine Gegend zu einer einsamen Gegend?
Eine Gegend einsam wie Jesus? 
Einsam wie ich?
Vielleicht kann ich meine Einsamkeit zur Einladung an Jesus machen,
dass er sich in mir zurückkzieht um zu beten.

Ein bisschen davon ist vielleicht dort oben auf meiner Bank passiert. Ich fuhr wieder zurück und mein Gebet war: "Jesus, lass diesen Frieden in mir nicht gleich wieder weg sein. Ich brauche dich so sehr." Unsere Gefäße sind so löchrig. Wir können die Begegnungen mit Gott eben nicht konservieren. Aber ich versuche weiter kleine Schlücke im Alltag zu trinken. Lass los und lass Gott. Ich hoffe, dass er sich in meine einsamen Gegenden zurückzieht um in mir zu beten. Dass ich spüre, wenn ich ihn vermisse. Und dass er mir immer wieder mal ein wenig von sich schenkt.
So versuche ich im Tal zu leben. Bis die Sehnsucht mich wieder auf den Berg zieht. 
Ich kann es mir einfach nicht leisten, nicht ab und zu dort hinzufahren...

 

Samstag, 18. Februar 2017

Richtung Tagesanbruch

 Das habe ich heute in dem wunderbaren Buch von Lauren Winner (still; notes on a midfaith crisis) gelesen. Sie erzählt:
Eine Kirche in Raleigh lud mich ein um ein wenig über meine christlich- jüdischen Wurzeln zu berichten...Nach dem Vortrag kam eine Frau auf  mich zu und meinte, dass sie uns um die jüdische Art die Zeit zu berechnen beneidet; wie bei uns die neuen Tage immer schon nach Sonnenuntergang anfangen; wie der Sabbat am Freitagabend beginnt und wie auch alle Feiertage ihren Anfang am Abend vorher nehmen.
"Mein geistliches Leben fühlt sich an wie ein jüdischer Tag ", sagt sie zu mir. " Ich bewege mich vom Dunkel in Richtung Tagesanbruch.                          (frei übersetzt)
Daran will ich denken wenn wir heute Abend auf dem Küchentisch unsere Kerze anzünden. Wenn es dunkel wird, feiern wir dem neuen Tag entgegen!

 Shabbat Shalom euch allen!!!  




    

Montag, 13. Februar 2017

Nimm Platz!

Vor einigen Tagen habe ich mich mit Samu auf den Weg zum Kinderturnen gemacht. Es findet in seiner zukünftigen Schule statt und wir dachten, es wäre schön wenn er da vielleicht den einen oder anderen kennenlernt, der dann auch in seine Klasse kommt. Ich gehe nicht gerne in Gruppen, in denen sich die Kinder und Mütter schon seit Jahren kennen. Meistens fühle ich mich da völlig fehl am Platz und habe das Gefühl die anderen Mütter wollen lieber unter sich bleiben. (die Müttermafia lässt grüßen!) Und dann auch noch das: Die Turnlehrerin redet davon, dass eigentlich kein Platz mehr frei ist und wir uns mit der Anmeldung reingemogelt haben und überhaupt - wenn die Kinder nicht schon ab dem zweiten Lebensjahr dabei sind, gibt es keinen Platz mehr. TOLL. Ich weiß, sie ist wahrscheinlich einfach gestresst und deshalb so unfreundlich - aber ich fühle mich bestätigt, dass hier kein Platz für uns ist. Will den Rückzug antreten, sehe Samu glücklich in der Kindergruppe sitzen und weiß, dass es hier nicht nur um mich und meine Komplexe geht. Großzügig macht die Turnlehrerin eine Ausnahme für uns. Ich fühle mich total gedemütigt. Zuhause versuche ich mich zu beruhigen. Sitze auf dem Sofa mit klopfendem Herz und Tränen in den Augen und frage Gott: "Was ist nur los mit mir? Warum nimmt mich das so mit?"

Es gibt Menschen die zuversichtlich ihren Platz in der Welt einnehmen und mit ihrem ganzen Wesen verkünden: Platz da, ich komme!" (und die werden das hier wohl kopfschüttelnd lesen) und dann gibt es diejenigen von uns die es brauchen, dass man sagt: "Nimm Platz! Schön, dass du da bist." Das hat viel mit unseren Geschichten zu tun. Meine fängt damit an, dass ich denke, dass ich mich hier reingemogelt habe. Nachgerutscht, weil noch ein Platz frei wurde. 

 Aber auch  wir dürfen lernen, dass wir eine herzliche Einladung ins Leben haben.

Gott wollte, dass ich dabei bin und er wollte, dass du dabei ist.

Er hat die Erde tatsächlich auch für uns gemacht. 

Wir sind seine geliebten Menschenkinder und wir dürfen unseren Platz einnehmen.


Genau das sagt Jesus seid einiger Zeit ganz oft zu mir: Christina, nimm Platz!
Auch letzte Woche, auf dem Autorentreffen in Kassel. Nein, nicht auf dem "Auto-renn-treffen" wie eine Freundin das zu meiner größten Erheiterung versehentlich gelesen hat! :-) Es war das Redaktionstreffen von Joyce zu dem ich eingeladen wurde und auch hier habe ich mich gefragt: Bin ich hier richtig? Was kann ich denn dazu beitragen? Ich habe mir aufgeregt einen Platz an der Tafel gesucht, habe zugehört und ein bisschen etwas von meiner Geschichte beigesteuert. Am Ende war es einfach schön dabei zu sein und ganz wunderbaren Frauen zu begegnen (auch wenn es sich teilweise tatsächlich ein bisschen wie übers Eis schlittern angefühlt hat).

"Nimm Platz!", flüstert mir Jesus zu - in vertrauten Runden und da wo es ein bisschen mehr Mut braucht und auch da wo wir nur genervt dazugewunken wurden, weil wir nunmal schon da sind.  
Nimm Platz
  • wenn ich fürchte, dass sich unsere Mitbewohner ärgern, weil sie über unsere Schuhe im Hausgang stolpern 
  • wenn ich mit meinem Platz-da-ich-komme-Sohn an einem ruhigen Ort auftauche
  • wenn ich in einem Gespräch den Schmerz von anderen höre und dabei vergesse meinen eigenen Teil auf den Tisch zu legen
  • wenn ich mich über die paar Kilos zuviel auf den Rippen ärgere und nicht anerkennen will, dass ich gerade genau diesen Raum brauche, um im Alltag standhaft und verwurzelt zu sein
 Das Leben braucht Raum und es hat die Tendenz sich auszubreiten das habe ich am Samstag bei unserem Wilhelmabesuch mal wieder gesehen.


diese schönen Flügel brauchen Platz!


und der freut sich einfach, dass er in seinem Element sein darf!
manche hätten vielleicht gerne mehr Platz...

und dieser Kerl, hatte vorher definitiv zu wenig Platz!

 Du und ich, wir sind willkommen auf diesem blauen Planeten. Er ist auch unser Zuhause. Ja ich weiß, der Himmel ist mein wahres Zuhause und alles das - und doch: die Erde hat Gott für uns Menschen gemacht. Und ein Mensch, das bin ich. Und das bist du auch. Und deshalb dürfen wir den Platz nehmen, den unser Leben nunmal so braucht. Und wo für andere Platz ist, ist auch Platz für uns. 
 Nicht erst dann, wenn alle mir freudig entgegenlaufen.
 Nicht erst wenn die Mütterclique mich gnädig dazuwinkt.
 Nicht erst wenn mich in einer neuen Gruppe endlich jemand anspricht. 

Wir brauchen keine Extraeinladung. Derjenige, der alles hier geschaffen hat, der heisst uns willkommen!

Und an seiner Tafel wird immer ein Platz für uns freigehalten. Unser Gastgeber strahlt uns über den gedeckten Tisch an und sagt: " Wie schön, dass du da bist. Setz dich. Shalom mein Kind. Friede sei mit dir." Jeder bewusste Moment bei ihm macht mich ein wenig zuversichtlicher und heiler. 



Und wenn Jesus mich gesund geliebt hat, dann werde ich in einer Situation wie letzte Woche in der Turngruppe einfach fröhlich sagen können: "Was für ein Glück, dass wir uns hier noch reinmogeln konnten. Danke! Und ihr wisst ja gar nicht was ihr für ein Glück habt, dass wir dabei sind."  :-)