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Dienstag, 28. Oktober 2014

Den Rest übernehme ich

Am Sonntag hatten wir wieder unseren Gottesdienst in der Kneipe.
Da treffen wir uns einmal im Monat, in einer "Old-School-Punk-Rock-Kneipe" (was immer das heisst- klingt gut, oder?). Wir brunchen zusammen - jeder bringt mit, was er geben kann - und dann folgt meist der übliche Gottesdienst mit Musik, Gebeten, Predigt und Segen ( old-school eben:-)).

Gestern kamen wir, dank der Winterzeit, pünktlich dort an (eine Stunde länger schlafen bringt leider nichts wenn man kleine Kinder hat. Ich finde diese Zeitumstellung völlig überflüssig!) . Vor Ort stellten wir fest, dass versehentlich niemand für die Gottesdienstleitung und Predigt eingeteilt wurde. Und, wie es dann halt immer so ist, ausgerechnet gestern waren einige neue Leute da.
So etwas stresst mich wirklich. Wenn neue Leute bei uns auftauchen, dann wünsche ich mir, dass es einen toller Gottesdienst gibt, mit einer richtig ermutigenden Predigt . Ich möchte so gerne, dass sich alle wohlfühlen, erfüllt und gestärkt für die kommende Woche nach Hause gehen.
Und dann schaue ich auf das, was wir haben und ich fürchte, dass es dafür nicht reichen wird.

Mein Blick fiel auf das Buffet, das vor allem aus leeren Platten bestand, die darauf warteten von den Leuten befüllt zu werden. Ich hatte (wegen der extra Stunde Zeit) ein paar Brötchen gebacken, die aber nicht so wirklich schmackhaft waren. weil ich das Salz für den Teig vergessen habe.

Also setze ich mich neben eine junge Frau und ihren kleinen Sohn, die heute zum ersten Mal da sind. Entschuldigend sage ich, dass wir immer etwas später anfangen und bestimmt noch mehr Leute kommen. Ich erkäre, dass wir zusammen immer erstmal frühstücken (eine schwächliche Bewegung Richtung der verlorenen, salzlosen Brötchen am Buffet) und dass es heute leider keine Predigt gibt.  Ach, und eine Kinderbetreuung haben wir in der Kneipe leider auch nicht, aber wir haben eine kleine "Kinderecke" (noch schwächere Handbewegung Richtung dunklen Kicker - und Dartraum). 

Irgendwie hängt über jedem Satz ein "zu wenig".

Wir kommen in`s Gespräch. Ich erfahre, dass sie eine alleinerziehende Mutter ist (= HELDIN!), sie seit der Geburt ihres Sohnes, wieder mehr über Gott nachdenkt und jetzt nach einer Gemeinde umschaut. Sie sieht müde aus. Die letzten Nächte hat der Kleine stark gezahnt und beide schlecht geschlafen.
 Ich biete ihr an, dass ich gerne auf ihren kleinen Sohn aufpasse, wenn er nicht fremdelt. Ihr dankbarer Blick zeigt mir, dass sie das gut brauchen kann.
Inzwischen sind noch ein paar Leute eingetroffen und die Früchstücksplatten füllen sich langsam. Ich nehme es mit Erleichterung zur Kenntnis. Also nehme ich ihren kleinen Sohn auf den Schoß, während sie ihren Teller füllt.

auch mein Sohn freut sich, dass endlich Brezeln da sind!


Wir frühstücken zusammen und der Gottesdienst beginnt. 
Mit den Kindern im Schlepptau verziehe ich mich in den Nebenraum. So bekomme ich nur mit halbem Ohr die Musik mit und, dass Leute an`s Mikrophon gehen und etwas von sich und ihrem Leben mit Gott (hoffe ich jedenfalls!) erzählen.
Ich bin erstaunt wieviele Leute die Chance ergreifen und den Mut haben etwas zu sagen. Sogar einer der Neuen steht vorne und erzählt etwas.
Hmm, scheint doch nicht so schlimm zu laufen...

Die Kinder genießen auf jeden Fall die Zeit und auch mein kleiner Schützling spielt Ball und zieht sich am Tischkicker hoch, als würde er schon immer dazugehören. 


Nach einiger Zeit wird er aber müde und die junge Mama verabschiedet sich.  Sie sagt, wie willkommen sie sich gefühlt hat und dass sie wiederkommen wird. Ihre Augen füllen sich dabei mit Tränen. Sie wirkt reich beschenkt.
Ich freue mich und ich kann es doch irgendwie kaum glauben. Ich sehe den ganzen Mangel, alles was wir ihr, meiner Meinung, nach an diesem Morgen nicht geben konnten. Und ich spüre, dass sie erfüllt und gesegnet nach Hause geht. Trotz allem.

Ich mag die Geschichte, wie Jesus mit ein paar Broten und Fischen 5000 Leute satt macht. Mir gefällt einfach die Vorstellung, dass Gott uns nicht nur ein paar gute Worte mit auf den Weg gibt, sondern ein Picknick veranstaltet und uns so richtig satt macht (ich liebe Essen!). Er lässt aber kein Manna vom Himmel regnen, sondern er fragt nach dem, was da ist. Dann segnet er das lächerlich, kleine Buffet (ich kann mir die besorgten Gesichter der Jünger vorstellen!) und alle werden satt. 
Es reicht tatsächlich, obwohl es eigentlich niemals reichen könnte.

Eigentlich habe ich nie genug. Und wenn der Unterschied zwischen dem was gebraucht wird und dem was da ist,  sehr weit auseinanderliegt, dann fällt es mir sehr schwer zu glauben,dass man davon satt werden kann. Das hindert mich auch manchmal meine Krümel hinzulegen. Ich denke: es reicht ja sowieso nicht, oder: es ist ja so lächerlich wenig, was ich zu geben habe.

 Soll doch Jesus Manna regnen lassen.
Aber er will unsere Krümel dafür nehmen. Er will uns dabei haben. Wir dürfen mithelfen.
Und JEDER hat etwas zu geben. JEDER. und ich bin ziemlich überzeugt davon, wenn jeder einfach das gibt was er gerade geben kann, an einen Menschen der neben uns sitzt, dann segnet es Jesus und es reicht für alle.

Wenn ich auf mein Leben schaue, dann sehe ich oft so viel Mangel.

Reichen die paar Stunden Schlaf für die Anforderungen des Tages?

Reicht ein kleines Gebet für die große Not?

Reicht eine Tüte Lebensmittel für den Freund, der dringend eine Arbeit braucht?

Reicht es einfach nur zuzuhören?

Reicht ein freundliches Wort für einen entmutigten Menschen?

Reicht ein müdes Lächeln?

Reicht eine kurze mail?

Reicht dieser Text für meinen Blog?

Ich kann mich stressen und denken: das ist viel zu wenig. Und ich kann mit letzter Kraft, bis zur völligen Erschöpfung, versuchen mehr draus zu machen. 

Oder ich gebe einfach das, was gerade da ist.  

Krümel.

 Und Jesus kümmert sich um den Rest.




Montag, 20. Oktober 2014

Das vergesse ich dir nie!

Ich schreibe Listen. Täglich. Vor allem to-do-Listen und Einkaufslisten. Seit einiger Zeit liegt noch eine andere Liste neben meinem Bett. Überschrift: 
Dinge, die Heio tut, die mein Herz berühren:
  • Das Championsleague-Spiel auf dem livestream anschauen (der nicht wirklich funktioniert), damit ich die Schnulze im Fernseher anschauen kann, auf die ich mich schon seit Tagen freue.
  • Isst erst Chips NACHDEM ich in`s Bett gegeangen bin, weil er weißt, dass ich abends nicht mehr so viel essen will.
  • Betet jeden Tag für meine Mama.
  • Versucht (!) aufzuräumen.
  • Macht Bilder von Blumen und fragt mich welche mir gefallen, damit er mir einen Strauß schenken kann, der mir wirklich gefällt (und nicht nach "Tanke" aussieht)
  • Lässt mich seine Klamotten aussuchen.
  • Macht das Feuer an, wenn es mir kalt wird - auch wenn es noch Sommer ist.
Das ist nur ein kleiner Auszug. Die Liste füllt sich erstaunlich schnell. Letzte Woche hatten wir Hochzeitstag und ich habe sie ihm überreicht. Er hat sich sehr darüber gefreut.
5 Jahre verheiratet

...und ein Strauß, der überhaupt nicht nach Tanke aussieht

Aber eigentlich mache ich diese Liste vor allem für mich. Es macht mich dankbar und glücklich, wenn ich sie lese. Und es hilft auch, wenn mich der Mann mal wieder fast in den Wahnsinn treibt, mich zu erinnern, dass nicht alles an ihm schlecht ist (was ich leider in solchen Momenten dann manchmal denke!). 
Mein Problem ist nämlich, dass ich sehr gut darin bin Negativ -Listen im Kopf zu erstellen.
Sie haben so wunderbare Überschriften wie:

"Was du eigentlich tun solltest und nie tust."

"Was ich von dir erwarte." 

"Wo du mich enttäuscht hast." 
 
Und ich erinnere Heio dann bei jeder Gelegenheit:
"NIE räumst du auf, das hast du SCHON WIEDER vergessen. IMMER kommst du so spät nach dem Golfen nach Hause..."
Neulich habe ich den Satz gelesen: "Frauen vergessen nicht, sie archivieren." 
Ich musste schmunzeln und doch ist das auch ein wenig traurig und bestimmt der Grund für viel Unzufriedenheit. 

Es geht mir nicht darum, dass ich alles mit rosaroter Brille betrachten will und das negative ausklammern. Das Problem ist nur, dass die Negativ-Listen viel lauter und präsenter in meinem Kopf sind. Sie drängen sich dermassen unverschämt in den Vordergrund, dass die "Liste- die-mein Herz berührt" unter dem ganzen Stapel begraben wird. Deshalb lege ich diese Liste gut sichtbar auf meinen Nachttisch, damit sich das ändert. Es hilft mir einfach das Gute besser wahrzunehmen.  Und es ist erstaunlicherweise auch ansteckend auf andere Bereiche in meinem Leben. Mir kommt plötzlich so vieles in den Sinn, was andere schon für mich getan haben, was mein Herz berührt:
  • Der Freund der nächtelang vor unserer Hochzeit mit uns über den Listen und Sitzplänen und "wo kann das Buffet hin?"-Fragen gebrütet hat. 
  • Die Freunde die geholfen haben, die farbigen Wände meine alte Wohnung weiß zu überstreichen (und die Wände waren SEHR farbig und die weisse Farbe SEHR wenig weiss).
  • Die Freundin, die mit mir nach Amsterdam und England gereist ist, weil ich mich jeweils in einen Typen vor Ort verliebt hatte (ist aus keinem was geworden...Gott sei Dank-  für sie und für mich:-)). Sie war es auch die sofort da war, als ich blutend in der Schwangerschaft dalag und Heio nicht erreichen konnte
  • Diejenigen, die uns unterstützt haben während der Krankheit unserer Väter und als, mitten in diesem Schmerz, Samu auf die Welt kam. 
  • Sie haben für uns gebetet, Pizza oder Lasagne vorbeigebracht, auf Samu aufgepasst während ich mich kurz hingelegt habe, eine Putzkolone hat sich durch unsere Wohnung gearbeitet hat, während ich auf der Kur war (Heio hat mir nicht verraten wer es war...falls du hier liest:DANKE.DANKE).
  • Die Freundin (auf Rädern) die jeden Monat 10 Euro auf das Konto von Samu überweist, damit er in 18 Jahren davon seinen Führerschein machen kann!
Die Liste könnte endlos weitergehen:
  • Einen Buggy geschenkt bekommen (während wir uns Gedanken um das Geld gemacht haben)
  • ermutigende E-mails und Postkarten
  •  mitfreuen, mitleiden, nettes über Samu sagen... 
  • Und ganz aktuell meine Lieblingsnichte die gestern, trotz durchwachter Nacht  - wegen Samu - morgens lachend den kleinen Sohn in den Arm genommen hat.
Ach, ihr Lieben: DAS VERGESSE ICH EUCH NIE!!!!

Und wenn sich die "das enttäuscht mich aber jetzt" -Liste vordrängt, dann werde ich diese Liste hochhalten und sagen: " Moment mal, liebes Herz- hast du das vergessen?"

Auch hier gilt: Ich will mutig das anschauen was mich verletzt und wo wir einander enttäuschen (das passiert halt leider, solange wir Menschen auf dieser Erde sind). Aber dann will ich auch das Gute anschauen,es hochhalten und ehren und nicht vergessen.
Ich hoffe, dass ihr das nicht falsch versteht. Ich führe keine Listen wer mir Gutes tut und wer nicht! Aber mir hilft es dankbarer zu sein -  für JEDEN Menschen. Und ich merke, dass diese Dankbarkeit etwas heilendes in meine Beziehungen bringt. Ich sehe den anderen dann nicht mehr als den, der vor allem meine Bedürfnisse erfüllen muss (trifft vor allem auf meine Ehe zu) oder als den, dessen Bedürfnisse ich erfüllen muss(trifft auf den Rest der Menschheit zu :-)).  Der dankbare Blick sieht so viel mehr. Er hilft mir nicht nur die Aufgabe sondern vor allem das Geschenk zu sehen. 

Wie froh bin ich,dass wir einander haben.

Und das will ich ganz vorne in meinem Kopf archivieren.

ja, meine Aufgabe (!!!)... aber vor allem mein Geschenk!:-)

Dienstag, 14. Oktober 2014

zuviel für mich

Gerade wollte ich unseren Papiermüll rausbringen. Aber der Eimer ist schon am Überquellen und auch mit größter Kraftanstrengung, konnte ich keinen Platz mehr schaffen. Und jetzt, wo ich vor dem Computer sitze und meine Gedanken in Worte fassen will, merke ich, dass dieses Bild sehr passend ist. 

Am vergangenen Wochenende war ich - zum ersten Mal in meinem Leben - auf der Buchmesse in Frankfurt. Ich hatte dort wunderbare Begegnungen. Aber die gesamten Eindrücke waren so überwältigend für mich, dass ich immer noch versuche die Bilder und Gedanken in mein kleines Hirn zu stopfen.

hohe Türme draußen....
..und drinnen


wichtige, geschäftige Menschen überall


ich war nicht die Einzige die überwältigt war...

...kurze Verschnaufpause
die Blonde passt auch noch in mich rein:-)
...einigen alte Bekannte getroffen

Ich liebe Bücher. Ich mag den Geruch, das Seitenumblättern und das "letzte Seite spickeln" wenn die Spannung zu groß wird (beat this, e-book!). 
Als Kind saß ich stundenlang mit meinen Büchern in unserem Wohnzimmer und war völlig versunken in "Trixie Belden", "5 Freunde" und sonstige Welten. Manche berichten, dass sie als Kinder schon Dickens, Dostojewski oder sonstige Klassiker toll fanden. Ich tue mich damit bis heute schwer. Manches davon kriege ich so wenig in meinen Kopf wie den Papiermüll in den Eimer. 
Ich mag die einfachen Geschichten. Die passen in mein Herz und berühren mich. Und ein verregneter, freier Tag mit einem ungelesenen Buch, auf das ich mich schon lange gefreut habe, ist immer noch etwas ganz großes für mich.

Aber auf der Buchmesse war es ganz anders.
Es war eine gehetzte Stimmung und es lag der Drang in der Luft: ich muss gesehen werden, jemand soll mich wahrnehmen. Tausende Bücher wollten angefasst, beachtet und gelesen werden. Und an jeder Ecke lasen, erklärten und meinten so viele Menschen so vieles, dass man den Eindruck hatte: hier bleibt nichts ungesagt.
Das Ganze war für mich so überwältigend wie eine MTV-Shakespeareverfilmung auf Japanisch (Gruß nach Japan:-)). Es war wie ein einzig großes Rauschen.

Vor einiger Zeit war ich mit einer Freundin in London, da ging es mir ähnlich. 
Wir liefen durch die vollen Einkaufsstraßen und Shopping-Center und an irgendeinem Punkt habe ich gemerkt: Ich muss jetzt sofort einen ruhigen Ort finden, sonst drehe ich durch. Also nahm ich die nächste U-Bahn zum Hyde-Park und saß im strömenden Regen auf einer Bank und starrte  auf den grünen Rasen. Hört sich vielleicht ein bisschen wie "Rainman" an, aber ich bin eben schnell mal überfordert.

Komisch, dass mir das mit der Natur nie passiert. Ich denke nicht, nachdem ich einen Tag im Park war oder am Strand entlang gegangen bin: "Jetzt ist es aber zuviel. Ich bin total erschlagen von den Eindrücken. Gebt mir ein abgedunkeltes Zimmer, ich muss auf eine leere Wand starren."
Es muss ein Rhythmus in der Schöpfung sein, der mir hilft, zur Ruhe zu kommen. 

Vielleicht hilft es mir auch zu spüren: ich bin Teil dieser Schöpfung. Ich muss nicht um meinen Platz kämpfen, muss nicht ein aufseheneregendes Buch schreiben (was natürlich schon ganz wunderbar wäre:-)), ich muss mich nicht antreiben lassen, von der Frage ob es "gut genug" ist, was ich tue, was ich sage und schreibe. 

"Gut genug" ist eigentlich sowieso ziemlich bescheuert. Ich kann ja nur das sein und geben was ich bin, ob das nun gut genug für jemand ist oder nicht (diese weise Erkenntnis hatte ich kürzlich auf meinen "stillen Tagen").  

Und es macht auch nicht wirklich Sinn, mich endlos den Sorgen hinzugeben um unsere Finanzen, um meine Arbeitsstelle, und um irgendwelche "wie schaffe ich das nur, wenn..."-Konstellationen. Diese Gedanken wachsen mir über den Kopf wie unser Papiermüll in der Tonne.

Es gibt Dinge, mit denen sind wir Menschen schlicht überfordert. 
Ich mag Psalm 131. Da schreibt David, dass wir unser Herz lehren sollen, sich nicht mit Dingen zu beschäftigen die zu groß für uns sind. Und er fügt hinzu:
"Schweigen lehrte ich meine Seele...
oder in anderer Übersetzung: "habe ich meine Seele nicht beruhigt und beschwichtigt? ".

Das versuche ich in diesen Tagen.

Eine Runde durch den Park gehen. 

Auf die wunderbaren Herbstblätter vor unserem Fenster schauen. 

Den kleinen Sohn beim unbesorgten Spielen beobachten. 

Meine Seele beruhigen.

Die Dinge die für mich zu groß sind

die Gedanken die mich überfordern

meinem Schöpfer hinhalten

der mich sieht

der all das tragen kann

was zuviel für mich ist.





Dienstag, 7. Oktober 2014

die Schlampe und mein persönliches Navi

"Mama, wer zuerst eine Schlampe sieht!", mit diesen Worten wurde ich heute morgen aus dem Schlaf gerissen. "Ich! ERSTER!", ruft der kleine Sohn.
Ich versuche meine müden Augen zu öffen. Meint er etwas mich? Und überhaupt, woher hat er solche Wörter (In letzter Zeit sagt er immer ganz genüsslich: "Mama, f*** darf ich nicht sagen, oder?")!?  Mit Erleichterung stelle ich aber fest, dass er nicht auf mich zeigt, sondern auf die "Nachti-schlampe". 
"Darf ich die Schlampe anzünden Mama?". Auch wenn ich seine Wortschöpfungen liebe- ich glaube das sollte ich vielleicht besser korrigieren.

Nicht korrigieren werde ich sein neues Wort: "Apfelbesen". Das kommt vom "Apfelbutzen" (für alle Nichtschwaben: das Apfelgehäuse). Er hat sich wohl gemerkt, dass im Apfel irgendetwas mit putzen ist und deshalb ist nun die Mitte des Apfels bei ihm ein "Apfelbesen". Klasse, oder?

Und seit kurzem reißt er vor dem Essen die Arme in die Luft und ruft fröhlich: "Heiss, heiss, Gott!".
Nach der ersten Verwirrung darüber vermuten wir nun, dass in seiner Kita vor dem Essen "Preis sei Gott" gerufen wird (ein Hoch auf die charismatische Früherziehung!) . Unser Sohn versteht aber etwas anderes - kein Dankgebet, sondern ein Hilferuf.
Das erklärt auch warum er manchmal auf meine mahnenden Worte: "wir haben noch nicht gebetet!" antwortet: "Aber das Essen ist doch gar nicht heiss!".

So können gut gemeinte Sätze zur völligen Verwirrung führen, weil der eine etwas versteht was der andere überhaupt nicht gemeint hat.
Ich habe den Verdacht, dass das nicht nur bei Kindern vorkommt...

endlich haben wir den Rasen gemäht!

Vergangenens Wochenende war ich auf einem Kongress zum Thema:  
"Gesunde Grenzen setzen" mit dem Psychologen Henry Cloud. 
Fast hätte ich nicht fahren können, weil ich für einen kranken Kollegen die Schicht übernehmen sollte. Angesichts des Themas auf dem Kongress wäre das irgendwie lustig gewesen. Ich habe also eine gesunde Grenze gesetzt und das -für mich sooo schwierige - Wort: "NEIN" gesagt und bin losgefahren. 

Die Aussicht aus dem Seitenfenster war wunderschön ....ich war schnell unterwegs (wollte ja pünktlich ankommen!) und bin ich an der Ausfahrt vorbeigerauscht. Ok, genau genommen habe ich es erst vier Ausfahrten später bemerkt.  Also habe ich den geduldigsten Mann der Welt angerufen und ihm mitgeteilt, dass ich mich völlig verfahren habe. Ich war total sauer auf mich.  "Das ist doch ein Bild für mein ganzes Leben! Ich schieße mit Vollgas am Ziel vorbei", hab ich den Mann zugejammert. 

Er war nicht wirklich überrascht. Obwohl ich glaube, dass mein Orientierungssinn ganz gut ist, verfahre ich mich immer wieder. Ich kann den Mann also ernsthaft mit Fragen wie diesen aus der Fassung bringen (auf der Fahrt von Stuttgart nach Nürnberg!):
"Muss ich jetzt die Autobahn Richtung Hamburg oder Kiel nehmen?" Oder: "Soll ich wirklich auf die Fähre fahren?"

Gott sei Dank war die Telefonverbindung gut und Heio hat mich geduldig wieder zurück auf den richtigen Weg gelotst. Ziemlich fertig und viel zu spät kam ich also an`s Ziel.


Ich war schon ewig nicht mehr auf einem christlichen Kongress. Das Thema wurde gut ausgeführt und auch die praktischen Beispiele waren völlig einleuchtend. Klar, ich bin für MEIN Leben verantwortlich (und nicht für das, der anderen), ich habe meine Grenzen, ich will aus FREIEN Stücken andere lieben und dabei in Kontrolle über mein Leben bleiben.

Allerdings geht es mir in der Praxis genauso wie beim Autofahren: Ich schieße meistens völlig über das Ziel hinaus. Ich nehme meine Grenzen so schlecht wahr, ich wage so selten ein klares "NEIN" (und damit ein klares "JA" zu dem was mir wirklich wichtig ist!) und ärgere mich dann über mich, dass ich wieder das Ziel aus den Augen verloren habe.

Man hört oft Ratschläge wie: 
" Hör einfach auf dein Herz!", "Mach das was dein Herz dir sagt."
Das Problem ist nur, dass mein Herz Orientierungsprobleme hat und mich an Orte schickt, die weit über meine Grenzen hinausgehen.  Und solange das nicht heil wird, bin ich auf ein ganz persönliches Navi angewiesen.

Es muss mir  Dinge sagen wie:
 "Langsamer fahren, sonst verpassen Sie die Ausfahrt."
Oder: "Benzin ist gleich leer! Fahren Sie zur nächsten Tankstelle." 
Oder. "Fahren Sie nicht dem Mercedes hinterher. Er fährt zu schnell für Sie (und auch in die falsche Richtung). 
Oder: "Versuchen Sie nicht diesen Laster abzuschleppen. Rufen sie Hilfe."
Oder: "Jetzt auf energiesparen umschalten, geben Sie kein Gas."
Oder: "Sie haben die Landesgrenze überschritten. Ihr Ziel werden Sie so nicht erreichen."
(und verlassen Sie sofort diese Fähre!)

So ein Navi brauche ich in meinem Alltag. Manchmal ist es die Stimme von meinem Mann, meiner Seelsorgerin, meiner Freunde, ein völlig Fremder... oder das liebevolle Flüstern am anderen Ende der Leitung, von dem ich hoffe, dass es Gott ist.

Sie helfen mir den Weg zu finden und ganz langsam lernt mein Herz dabei sich zu orientieren. Ich erkenne bestimmte Abbiegungen wieder und weiß, wie ich abbiegen muss.  
Ich lerne langsam im richtigen Tempo zu fahren, die Tankuhr im Auge zu behalten, Pannenhilfe zu leisten, wo es möglich ist oder einfach nur den ADAC anrufen und weiterfahren. Und ganz nebenbei fange ich an die Fahrt zu geniessen. 
Und dann sagt mir mein Navi diese wunderbaren Worte:

"Sie haben ihr Ziel erreicht!" 

Mist, jetzt sitze ich schon wieder zu lange vor dem Computer. Ich muss schon die Schlampe anzünden.
"Tempo drosseln und nächste Ausfahrt raus."

Gute Fahrt euch allen!!! Wir sehen uns am Ziel. Hoffentlich.

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Mein störrisches Leben



Gestern hat mal wieder nichts so geklappt wie ich mir das vorgestellt habe.

Mein Plan für den Tag war: 
Wohnung aufräumen.
Einen wohldurchdachten, humorvollen aber auch tiefen Blogbeitrag schreiben. 
Einkaufen und ein leckeres Mittagessen kochen.
Samu von der KiTa holen, gemütlich in der Küche sitzen und Herbstlichter basteln.
Im Garten spielen. Kind tobt sich aus und spielt noch alleine draußen weiter, Mama backt in Ruhe Pizza für den Besuch.
Gutgelaunter Sohn kommt aus dem Garten. 
Freundin kommt. Wir reden in Ruhe, Sohn spielt zufrieden zu unseren Füßen mit den Autos.
Harmonisches in`s Bett bringen.
Mit dem Mann noch gemütlich zusammensitzen und den Tag dankbar beschließen.

Soweit der Plan. 
Aber - ihr ahnt es schon- der Tag  lief etwas anders ab:

Sitze müde vor dem Computer und starre auf den leeren Bildschirm. 
Schreibe ein paar Sätze um sie dann seufzend wieder zu löschen.  
Zwei Stunden und ein paar zusammenhanglose, wirre Sätze später, beendete ich das Ganze erfolglos. Hätte mich besser in der  Zeit nochmal hinlegen sollen....fühle mich völlig gerädert.
Ich eile zum Einkaufen um an der Kasse festzustellen, dass ich kein Geld dabei habe.
Eile zurück und werfe den Inhalt einer Fertigtüte "mediterrane-Basmati-Pfanne" in kochendes Wasser. Es schmeckt wie eine Spachtelmischung für mediterrane Keramikplatten.
Fahre hungrig zur KiTa. Der Sohn schaut, im halbdunkel sitzend, ein Bilderbuch an, weil er todmüde ist, man aber verhindern will, dass er einschläft (klingt jetzt komisch, aber das ist wieder eine andere Geschichte).Nehme den müden Sohn nach Hause. 
 
"Wie basteln was schönes!", kündige ich an und merke, dass wir keinen Kleister haben. Egal. Ich bin in der Stimmung "das wird jetzt durchgezogen!". Grimmig klebe ich mit einem ausgetrockneten Bastel-Leim Blätter auf`s Glas. Samu schaut zu und sagt fröhlich: "Mama, du kannst basteln!" Gut. Bastel-Motivations-Stunde für die Mama wird beendet.
Wir wollen raus, aber es regnet. Samu will mit mir Zug spielen, ich muss den Hefeteig machen. Setze ihn kurz vor den Fernseher. Danach ist er anhänglich und jammrig.

Endlich kommt unser Besuch (mit wunderschönen Blumen im Arm!). Wir essen, Samu ist schon fertig, hängt an mir wie ein Klammeraffe und will "wie-würge-ich-meine-Mama-während-sie-ißt" spielen. Ich will aber nicht mitspielen. Wutanfall Stufe 1. 

Jetzt will ich in Ruhe mit der Freundin reden. Ein Riesengetöse im Nebenzimmer. Die Kommode (die ich heute morgen aufgeräumt habe),wäre fast auf Samu gefallen, weil er versucht hat, alle Schubladen gleichzeitig zu öffnen. Er weint. Ich schimpfe.
Dann liegt er unter dem Wohnzimmertisch. Er hält sich nicht an den Plan! Er schiebt NICHT seine Autos hin-und her während wir in Ruhe reden, sondern knallt mit den Füßen gegen die Tischschublade. Er wird erst ermahnt, dann in`s Schlafzimmer verbannt. 

Ich versuche die Urlaubsbilder für unsere Freundin zu kommentieren, während ich im Gang stehe und die Tür zuhalte, gegen die der Sohn hämmert.  Äußerlich bin ich noch gelassen, innerlich kurz vor dem Ausflippen und auch beschämt. Meine Freundin ist Lehrerin!!! Was denkt sie nur über meine Erziehungsfähigkeit, über den wilden Sohn (ich glaube sie mag uns ...aber trotzdem: wieso funktioniert heute nichts?!). 
Erschöpft bringe ich den Sohn in`s Bett, heute ohne Geschichte (ich versuche konsequent zu sein!), was wieder Geschrei bedeutet. Ich gebe auf. Eine kurze Geschichte.
Endlich. Er schläft. Ich wanke in`s Wohnzimmer zu Heio.
" Gudnach.MussinsBett". Falle in`s Bett. Ein Stoßseufzer-Gebet.  Ruhe.


Es ist nicht so, dass ich jeden Tag bewusst durchplane, aber in meinem Kopf ist meistens schon eine Vorstellung, wie es laufen sollte. Und dann bin ich deprimiert und enttäuscht wenn die Dinge nicht so laufen und das Leben mir einen Strich durch die Rechnung macht.

Heio ist da anders. Er sagt oft, wenn ich mir überlege wie dieses oder jenes laufen sollte:
 "In einer perfekten Welt, könnte das genau so klappen!" 
Dann muss ich lachen und ich merke, dass ich mal wieder versuche das chaotische, wilde Leben in Griff zu bekommen. So wie ich versuche meinen Sohn in den Griff zu bekommen. Und ich merke: es funktioniert so nicht. Die Tage stellen sich meistens ganz störrisch an, wenn ich sie in eine bestimmte Richtung ziehen will. Das Leben ist voller loser Ende und Kertwendungen. Manchmal klappt alles so wie ich es mir wünsche, manchmal ist es wunderbar anders und manchmal raubt es mir fast den Verstand (und mal ehrlich: eigentlich ist ja nichts wirklich schlimmes passiert!). 

Ich will wirklich so gerne lernen  dem Leben ein wenig mehr Spielraum geben. 
Einen Plan B oder C umarmen und nicht an dem festhalten, was eigentlich sein sollte.

Dann hätte der Tag gestern vielleicht anders ausgesehen:

Ich hätte den Blogbericht einfach gleich auf heute verschieben können nachdem ich so müde und inspirationslos war. Wir hätten das Basteln einfach lassen können und hätten die Regenklamotten rausgekramt um eine Matschburg zu bauen.  Wir hätten Pizza um die Ecke bestellt und die Freundin schonmal vorgewarnt, dass wir heute nicht ganz so gut drauf sind. Ich hätte bei Wutanfällen von Samu nicht äußerlich gelassen bleiben müssen, sondern hätte meine Verletzlichkeit zeigen könnnen. Ich hätte ehrlich darüber reden können,  dass es mich beschämt und vielleicht hätte ich sogar einen liebevollen, weisen Rat bekommen. Und ich hätte mich mehr über die schönen Blumen gefreut und den wunderbaren Reisebericht (trotz der vielen Unterbrechungen) und dass Samu nicht von der Kommode erschlagen wurde.

Plan B ist doch manchmal auch ganz in Ordnung. 
Vielleicht ist Plan B sogar manchmal das größere Geschenk (in zerknitterter Verpackung)...


Schaukeln hilft auch um gelassener zu werden:-)
oder einfach Samstags eine Runde spazieren gehen (und nicht-wie geplant- das Gras mähen)...
die heruntergefallenen Äpfel einsammeln, die keiner mehr will...



...und Apfelsaft bekommen. B-Qualität. Aber unglaublich lecker!!!